Der 7. Absatz.

Von dem Hanf / Flachs / und Leinwat.

[630] Der Hanf und Flachs ist ein wohlbekantes Kraut oder Gewächs / welches absonderlich den Weiberen vil zuschaffen gibt.80 Es ist in grossen Handels-Städten ein sehr curante Wahr / die starck gebraucht wird zu den Segel-Tücheren Fisch-Netzen / und Stricken etc. es ist ein sehr nutzlich und nothwendiges Ding / um den Flachs und Hanf / aber welches sehr vil Mühe und Arbeit erfordert; dann dieser der Hanf / wann er zeitig und von der Erden ausgezogen worden / da muß er erstlich gewesseret / und hernach wiederum getrucknet werden: alsdann ferners gebrochen / wie sie es nennen / geschwungen und gehöchlet werden: weiters muß er an die Kunckel gelegt / gespunnen und abgehasplet werden / alsdann erst zu einer Leinwat gewebet / an der Sonnen und an dem Regen gebleicht / und also gibt es endlich ein weisse Leinwat ab. Dem Hanf-Saamen seynd / wie bekant / die Vögel gefähr. Der Flachs-Saamen aber wird für unterschidliche Zuständ Artzney-Weiß gebraucht: auch aus demselben Oel gepreßt / welches denen Mahleren und unterschidlichen Handwerckeren dienlich ist. Der Flachs wachst kürtzer / zärter / und klümpfiger als der Hanf /doch braucht er auch nicht wenig Mühe und Arbeit biß er völlig præparirt /[630] und ein schöne weisse Leinwat / und zwar ein zärtere als aus dem Hanf gemacht wird / abgibet. Bey der Dörrung des Hanf- und Flachses braucht es grosse Behutsamkeit / und muß man sehr wohl achtung geben / weilen er gar leicht in die Flammen gerathet / und ein Feurs-Brunst daraus entstehen kan.

Was aber die Leinwant (zu welcher der Hanf und Flachs fürnemlich verordnet ist) anbelangt / so ist selbe in unseren Landen ein sehr nutzliche Sach / so wohl zur Bedeckung und Bekleidung des menschlichen Leibs / als zu überziehung der Better / der Tischen etc. ja auch in der Kirchen wird sie vilfältig gebraucht / bey den Altären / zur Bekleidung des Priesters und der Kirchen-Dieneren.81 Neben dem daß sie auf unterschidliche Weiß gefärbt und allerley Kleidung / und Zierrath daraus gemacht wird.

Es wird deßwegen in Teutschland absonderlich in Schlesien / und Westvahlen ein grosser Handel mit der Leinwat getrieben / und jährlich gantze Schiff-Ladungen nacher Holland / Engelland / und Spanien mit grossem Profit abgeführet. Aus der Meß zu Bozen werden jährlich vil tausend Stück Leinwat nacher Italien gegen Seiden-Waar ausgelieferet.

Es gibt aber der Leinwat unterschidliche und mancherley / nemlich rohe / oder ungepleichte / weiß-zarte / mittlere und grobe / Schleyer / und Kammer-Leinwat / auch so subtil daß man ein Stuck von vil Ellen in der Taschen tragen kan: es gibt glatte und gemodlete /oder gestreiffte / auf Damast-Art zubereitet / mit Bilderen / Laubwerck oder Blumen / durch gewircket /flächsene oder hanffene / weisse oder gefärbte etc.

Groß und vilfältig ist die Nutzbarkeit der Leinwat /dann erstlich / so bald der Mensch zur Welt gebohren / wird er als ein kleines Kind in leinene Windlein eingewicklet / und in der Kindheit vor allem mit Leinwat bekleidet: hernach bekleidet sie uns die gantze Lebs-Zeit hindurch / und bedecket die Blösse des Leibs vor allen anderen Kleideren: ja auch in dem Tod verlaßt sie uns nicht / sondern sie bekleidet uns biß in das Grab / welches doch insgemein andere Kleider nicht thun / dann man pflegt zum öffteren die todten Leiber nur in ein Leinwat einzuwicklen.82 Die Leinwat dienet dem Menschen auf mancherley Weiß / zur Nothdurfft / zur Zierd und Lustbarkeit bey Tag und bey Nacht / bey dem Tisch und in dem Beth / zu dem Jagen Fischen und Vogelfangen braucht man Strick und Garn / die von leinener Gespunst gemacht seynd: und wann man über Meer und grosse Wässer fahren will / da müssen abermahl die ausgespannte und von Leinwat gemachte Segel das beste thun / und die großmächtige schwere Schiff (die sonst kein menschlicher Gewalt bezwigen kundte) in wenig Stunden vil Meil weit auf das schnelliste fort treiben / mit unausschreiblichem Nutzen so wohl der Kriegs- als Kauff-und Handels-Leuthen / und anderen Reisenden.

Hingegen ist es zu bedauren und schad darum / daß die schönste subtiliste / köstliche / schneeweisse / gestärckt- und geglette Leinwat / nicht zur Ehr-GOttes und zum Kirchen-Dienst angewendt / sondern öffters von dem delicat- und adelichen / oder unadelichen Frauen-Zimmer / ja auch von jungen weibischen Manns-Bildern in grossem Uberfluß / zu eitler Hoffart verwendet wird / da indessen der Priester auf dem Altar mit einer schlechten groben Alb / und Humeral muß verlieb nehmen.83

Es wird zwar in heiliger Schrifft von dem weisen Mann das starcke Weib gelobt / das sie mit Woll und Flachs umgehe / daß sie die Spindel und Kunckel ergriffen und Leinwat gemacht habe selbe zu verkauffen.84 Quæsivit lanam & linum, digiti ejus apprehenderunt fusum, sindonem vendidit etc.85 aber nicht darmit zu prangen oder Hoffart zu treiben. Der reiche Mann hingegen in dem Evangelio wird hefftig gescholten / daß er sich mit Purpur und köstliche Leinwat[631] bekleidet / und grossen Pracht darmit getrieben habe.

Es ist aber die weisse Leinwat nicht nur auf der Welt bey den Menschen / sondern auch in dem Himmel bey GOtt und seinen Englen beliebt und hochgeachtet / welches aus diesem abzunehmen / daß / so offt ein Engel oder Heiliger aus dem Himmel auf der Welt erschienen / selbes gemeiniglich in Schnee-weisser Kleidung geschehen ist.86 Wie zu lesen ist in unterschidlichen Stellen der Heil. Schrifft des alten Testaments / Ezech. c. 9. & 10. Daniel. c. 10. & 12. Als Christus der HErr glorreich vom Todten auferstanden ist / da haben sich zwey Engel in Schnee-weissen Kleideren bey dem Grab sehen lassen / und als er in den Himmel aufgefahren da seynd auch den Apostlen 2. Männer in weissen Kleideren erschienen. Der Heil. Joannes in seiner himmlischen Offenbahrung / sahe ein unzahlbare Menge der himmlischen Inwohner /welche amicti stolis albis mit weissen Kleideren angethan waren. Wiederum c. 19. v. 14. sagt er / habe gesehen in dem Himmel ein gantzes Heer auf weissen Pferden / und die Reuter waren bekleidt byssino albo & mundo. Mit weisser und reiner Leinwat. Auch der heilige Petrus hat in einer Verzuckung / ein leinenes Tuch gesehen vom Himmel herab kommen / worinn allerley Thier gewesen seynd / die Leinwat aber sagt der Heil. August. hom. 45. bedeute die Catholische Kirch / und die unterschidliche Thier alle Christ-Glaubige / die darinn sollen versammlet werden.

Endlichen von der aller köstlichisten und schönsten weissen Leinwat / die in der himmlischen Kleider-Kammer zu finden ist / schreibt der Heil. Evangelist Joannes Apoc. c. 19. v. 7. & 8. nachfolgendes: die Hochzeit des Lamms (das ist / Göttlichen Lamms) ist ankommen / und sein Braut hat sich darzu bereitet /und es ward ihr geben weisse glantzende Leinwat /sich darmit anzuthun: byssinum enim justificationes sunt sanctorum sagt der Heil. Text. Dann die weisse Leinwat bedeutet die Gerechtfertigungen der Heiligen.87

Es kan demnach auch das gute und reine Gewissen / mit einer sauberen weissen Leinwat verglichen werden / als welches den Menschen innerlich / gleich wie ein solche Leinwat äuserlich zieret: fürnemlich aber bestehet die Gleichheit in diesem / daß gleichwie die schöne weisse Leinwat / wann sie schmutzig und bemacklet worden / wiederum kan gewaschen und gesauberet werden / also daß es wiederum schön und weiß ist / als wie zuvor / ja als wann sie gantz neu wäre / also kan und soll auch das menschliche Gewissen / wann es durch die Sünd ist verschwärtzt / verunreiniget / und bemacklet worden / durch die Reu und Buß wiederum gesauberet und gereiniget werden /also daß es wiederum so gut und unschuldig ist / als wann man nie gesündiget hätte.88 Dieses ist zu dem uns der Prophet Isaias ermahnet / wann er sagt: Lavamini, mundi estote etc. si fuerint peccata vestra ut coccinum, quasi nix dealbabuntur etc.89 Waschet euch / reiniget euch / lasset ab böses zu thun / ler net gutes zu thun etc. Und wann euere Sünden gleich Blut roth wären / sollen sie doch Schnee-weiß werden.

Ferners gleichwie die Leinwat vor allen Zeug- und Tücheren mit dieser sonderbaren Freyheit von der Natur begabt ist. daß sie Schaben-frey ist / und niemahl von den Motten oder Schaben zerfressen und zernagen wird / welches doch dem Samet und der Seiden geschieht / also ist ein gutes und reines Gewissen befreyet von dem nagenden Gewissens-Wurm / und von allem schädlichen Ungezieffer der Sünd und Lasteren / und des hieraus entstehenden Schadens und Unruhe etc.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 630-632.
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