An Hardenberg

[200] Namens der Universität zu Greifswald.


1816.


Im All der Sonnen walten der Kräfte zwei.

Nach außen drängt die Eine; die Andre lockt

Zurück zum Schwerpunkt. Solchem Zwist dankt

Ordnung und Dauer der Sphären Prachtbau.


Zwei Kräft' auch sind es, welche dem Staat Bestand

Und Wohlfahrt sichern, schwebend im Gleichgewicht:

Des Helden Zorn, der Glimpf des Weisen,

Spornend der Eine, der Andre zügelnd.
[201]

Wem dieß, wie jenes liebend beschied der Gott,

Heil solchem Reiche! Heil dir, Borussia!

Gestützt auf Hardenberg und Blücher,

Weicht nicht der König vom Pfad der Mitte.


Derselbe, wie auch wechs'le der Loose Fall,

Ruhig, ob schmeichl', ob drohe der Horizont,

Ehrt Er den Thatendurst des Feldherrn,

Achtend zugleich auf des Staatsmanns Mahnung.


Sey uns gegrüßt dann, weiser Canzlar des Reichs!

Ein wack'rer Steurer hast Du das Schiff des Staats,

Das schwerarbeitende, zum Hafen

Kräftig gelenkt durch Geklipp und Brandung.


Was Kaiser Friedrich Petrus de Vineis,

Was seinem Ludwig Suger der Würdige,

Was Sully Frankreichs viertem Heinrich,

Warst Du dem König, und bist, und bleibst es,
[202]

Bis auch der Wunden letzte zur Narbe wird,

Daraus Europa blutet; bis Ost und West

Des müden Welttheils tiefaufathmend

Schlummern im Schatten des heil'gen Bundes.


Indeß sey hold uns, die wir das deutsche Herz

Sorgsam bewahrten, saß gleich der König uns

Jenseit der Wasser, lag gleich fern uns

Frohes und Trübes der Bruderstämme.


Sey hold uns, Hehrer, der Du dem Thron zunächst

Rathspendend sitzest! Werd' uns ein Genius!

Zum Bürger adle den Privatmann!

Steigr' uns die Heimath zum Vaterlande!


Samml' um des Thrones Stufen den Völkerrath!

Gut, Ehr' und Leben sichr' uns das gleiche Recht!

Oeffn' aller Kraft der Thaten Rennbahn!

Keinem Verdienst sey versagt die Palme!
[203]

Der Boden eigne dem, der den Boden baut!

Die Marken hüte, welchen die Mark gesäugt!

Heer sey das Volk; die Schule Stoa;

Areopagus die Pfalz des Rechtes!


Der Geister Aufschwung lähme kein Machtgebot!

Die freie Type fess'le kein Zwanggesetz!

Dem Höhern huld'ge Kron' und Inful!

Innigst durchdringe sich Staat und Kirche! ...


Der Vorwelt Aeren, güld'ne Jahrhunderte

Des, dem Athen, dem Roma den Glanz verdankt,

Dem Bagdad, dem die schöne Florenz,

Kehret, ihr Leuchtenden, kehrt ihr wieder?


Satt Markts und Lagers, lauschet' Augustus Freund,

Wenn Flaccus Lyra, Livius Tuba klang;

Also auch Hardenberg-Maecenas,

Den die Kamöne verneint dem Lethe!
[204]

Wohl fehlt der Flaccus, fehlt auch der Titus uns;

Dennoch sey hold, Fürst, unserem Helikon!

Auch Naso ward gekränzt mit Maro,

Florus genannt mit Sallust und Cäsar.


Drum lächl' auch unsern Musen! Der Muse dankt

Unsterblich Leben, was der Moment gewirkt.

Des Dichters Liedern horcht die Nachwelt;

Nimmer vermoost der Geschichte Marmor.


Quelle:
Ludwig Gotthard Kosegarten: Dichtungen. Band 7, Greifswald 1824, S. 200-205.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Anthologie aus den Gedichten von Ludwig Theobul Kosegarten

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Fräulein Else

Fräulein Else

Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.

54 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon