[362] Vorige – Stein tritt ein und stutzt.
Adolph und Henriette treten etwas verlegen auseinander, Stein geht vor, macht dem Grafen eine kalte Verbeugung, und sieht Henriette etwas befremdet an.
HENRIETTE gefaßt und ohne Verlegenheit. Der Herr Graf von Klingsberg, von dem ich dir einigemal erzählt habe.
STEIN. Viel Ehre!
ADOLPH noch etwas verlegen. Sie sind so selten zu Hause.
STEIN. Geschäfte. Ich komme da eben von einer wunderlichen Szene. Aus den Fenstern dieses Hauses hat irgendein Narr eine Hand voll Dukaten geworfen.
ADOLPH frappiert. Ein Narr?
STEIN. Nun ja! Ein vernünftiger Mann macht sich schwerlich solchen Spaß.
HENRIETTE ängstlich verlegen. Bruder!
STEIN. Die Straßenbuben balgen sich um das Geld. Es ist ein förmlicher Auflauf. Die Polizei hat sich darein gemischt.
ADOLPH heftig. Ich habe das Geld hinabgeworfeen, ich, mein Herr!
STEIN. Sie!
ADOLPH. Ich bitte den Narren zurückzunehmen.
STEIN. Mein Herr, das war sehr unbesonnen!
ADOLPH. Sie häufen Beleidigung auf Beleidigung.
HENRIETTE sehr ängstlich. Bruder! – Herr Graf!
STEIN. Ich drücke mich noch viel zu gelinde aus. Mit steigender Wut. Großer Gott! meiner Schwester galten also die saubern Redensarten, die ich eben habe hören müssen? Meiner Schwester Fenster waren es also, auf welche die Buben mit Fingern zeigten?
ADOLPH zu Henrietten. Sie wissen alles; – reden Sie!
STEIN. Was ist da zu reden? Ich weiß, daß hier nichts Unsittliches vorgegangen, denn ich kenne meine Schwester. Aber wer, außer mir, kennt meine Schwester? Unbesonnenheit gilt hier ebensoviel als Laster. Sie ist ein armes Mädchen; der reiche Graf kann hier nichts wiedergutmachen. Der reiche Graf hat mit seinen elenden Dukaten die kostbare[362] Ehre meiner Schwester zum Fenster hinausgeworfen! Mein Glück ist zertrümmert, und nun auch mein guter Name.
ADOLPH. Sie vergessen sich!
HENRIETTE. Bruder!
STEIN. Ha! Und ich stehe noch hier? Und mein Degen ruht noch in der Scheide? Den Narren wollten Sie nicht dulden. Gut, mein Herr! ich nehme ihn zurück und setze einen Schurken an seine Stelle.
ADOLPH greift nach dem Degen. Ha! Genugtuung!
STEIN. Sie mir!
HENRIETTE. Um Gottes willen!
ADOLPH ergreift ihn beim Arm. Fort auf der Stelle!
STEIN. Wohin es beliebt.
Beide stürzen hinaus.
HENRIETTE ihnen nach. Bruder! Bruder! Barmherzigkeit! Sinkt an der Türe nieder.
Ende des zweiten Akts.