Vierte Szene


[346] Vorige – Frau Wunschel.


FRAU WUNSCHEL. Wo wären denn der Graf? Ich bin bis unten vor der Haustüre gewesen, da ist keine Katze, viel weniger ein Graf. Was soll das vorstellen? He? Will man mich in meinem eignen Hause zum Narren machen? Weiß der Herr wohl, wer ich bin?

ADOLPH. Nu, nu, liebe Frau Wunschel!

FRAU WUNSCHEL. Was? liebe Frau? Der Henker ist seine liebe Frau! Mein Mann war Lauten- und Geigenmacher, und folglich ein Künstler. Seine Geigen waren so gut als die Cremoneser; er hat einmal eine verkauft an einen polnischen Starosten, der hat ihm siebzig Dukaten dafür gegeben, und hat die Geige mit nach Lappland genommen auf seine Herrschaften. Ich eine liebe Frau? Seht doch! Meines Mannes Geigen hatten einen Ton; wenn man nur einen Strich darauf tat, so liefen die Buben zusammen und greinten. Versteht mich der Herr? Und was meint der Herr? Was will der Herr? Was sucht der Herr?

ADOLPH. Aber sagen mir Ew. Gnaden nur, warum Ew. Gnaden so toben?

FRAU WUNSCHEL etwas besänftigt. Ich tobe nicht; ich erbose mich nur ein wenig. Aber wenn man artig und zivilisiert mit mir spricht, so bin ich auch die politischste Frau von der Welt, und frage mit aller Menage: Wer ist der Herr?

ADOLPH. Habe ich es Ew. Gnaden nicht schon gesagt? Ich bin der Graf Klingsberg.

FRAU WUNSCHEL. Doch wohl nicht der Sohn – von –

ADOLPH. Freilich, der leibhafte Sohn meines Vaters.

FRAU WUNSCHEL. Ah – so! Dann habe ich allerdings zu deprezieren.

ADOLPH. Hat nichts zu bedeuten. Mein Vater hat plötzlich eine Kolik bekommen, und mir daher aufgetragen, Madame Friedberg in seinem Namen willkommen zu heißen.

FRAU WUNSCHEL. Eine Kolik? Das ist scharmant! Da kann ich helfen. Ich verfertige eigenhändig eine vortreffliche Wermuthessenz; das Rezept stammt noch von meinem Großvater her, der hatte einen Oheim, der einen Schwiegervater hatte, dessen Bruder ein weltberühmter Arzt war; wie hieß er doch nun gleich? Ein kurioser Name! So etwas Lateinisches.

ADOLPH. Gleichviel! Ew. Gnaden werden meinem Vater eine[346] große Gnade erzeigen, wenn Ew. Gnaden die Gnade haben wollten, die Wermuthessenz auf der Stelle zu präparieren.

FRAU WUNSCHEL sehr freundlich und mit vielen Verbeugungen. Ew. Gnaden sollen sogleich bedient werden.

ADOLPH der gleichfalls bei jeder Rede eine Verbeugung macht. Ew. Gnaden geruhen zu eilen!

FRAU WUNSCHEL. Wie Ew. Gnaden befehlen.

ADOLPH. Ich habe Ew. Gnaden nur zu bitten.

FRAU WUNSCHEL. Ew. Gnaden sind ein galanter Kavalier.

ADOLPH. Ew. Gnaden gehorsamster Diener!

FRAU WUNSCHEL. Ew. Gnaden untertänigste Dienerin! Ab.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 346-347.
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