Vierte Szene

[402] Frau Staar und Sabine.


FRAU STAAR. Sabinchen, die Kuchen sind schon aus dem Ofen, köstliche Kuchen! sie machen dir Ehre. Nun wollen wir sie mit Blumen bestecken, und auch mit Myrtenreis, du weißt schon warum. Das wird morgen ein Fest werden! ein gewaltiges Fest! – Aber du stehst ja da wie ein kranker Kanarienvogel? – hörst du mich nicht? – was hast du denn da?

SABINE erschrickt, und will das Portrait wegstecken. Nichts, liebe Großmutter.

FRAU STAAR. Ei ja doch. Das war ja ein Ding wie ein Brillenfutteral? gib nur her! gib her! ich will es haben.

SABINE gibt es. Es ist ein Portrait.

FRAU STAAR. Ein Portrait? ein Mannsbild? – Gott steh mir bei! – Kind, ich will nicht hoffen –

SABINE. Was denn?

FRAU STAAR. Ich mache Lärm im Hause! ich schreie Feuer!

SABINE. Ums Himmels willen nicht, liebe Großmutter! Schalkhaft.[402] Gesetzt, es brennt, was kann Ihr Schreien helfen?

FRAU STAAR. Was? ein fremdes Mannsbild in deiner Tasche? wohl gar in deinem Herzen?

SABINE. Es ist ja nur ein Mann in Glas und Rahmen.

FRAU STAAR. Ei, lehre du mich die Männer kennen, sie springen aus dem Rahmen heraus, ehe man sichs versieht. – Nun da haben wirs! ich bin immer dagegen gewesen, dich in die Residenz zu schicken. War ich doch auch zu meiner Zeit eine wohlerzogene Jungfrau, aber von der Residenz hab' ich nichts weiter gewußt, als daß Se. Majestät der König dort wohnen. – Nun haben wir die Bescherung! Bilderchen hat sie mitgebracht! Mannsbilderchen! du gottlose Dirne! weißt du, was so ein Ding zu bedeuten hat? Zu meiner Zeit ließ sich keiner malen, der nicht in Amt und Würden stand, oder wenigstens zehn Jahr verheiratet war. Dann geschah es aber auch mit der gehörigen Gravität in Lebensgröße, einer Spitzenhalskrause, und einem Blumenstrauße in der Hand. So hängt dein Großvater draußen hinter dem Küchenschranke, der wohledle Herr Untersteuereinnehmer, Gott hab' ihn selig! aber heutzutage, daß Gott erbarm! die Kinder lassen sich malen mit struppichten Haaren und offener Brust! und klein, winzig klein, daß man es in eine Nadeldose legen kann. Daher kömmt eben der Unfug. Große Bilder stehen frei und ehrbar vor der ganzen Welt; aber die kleinen Spitzbuben schleichen sich in alle Taschen, und Gott verzeih mir die Sünde! hängen wohl gar an Bänderchen und Kettchen in den Busen hinab! – Wer ist der Mensch? heraus mit der Sprache!

SABINE verlegen. Liebe Großmutter, Sie ereifern sich ohne Not –

FRAU STAAR. Nun? wer ists?

SABINE. Es ist – Für sich. was soll ich ihr sagen? Laut. es ist das Bild unsers Königs.

FRAU STAAR. Unsers Königs?

SABINE. Die Cousine schickte es mir, weil sie weiß, daß wir ihn alle lieben.

FRAU STAAR. Ah! ja so! das ist ein anders. Sieh, sieh doch, ist das unser König? hab' ich doch längst gewünscht ihn einmal zu betrachten. Aber er hat ja keinen Stern?

SABINE. Den braucht er nicht um zu glänzen.

FRAU STAAR. Ei! ei! nun das war ein gescheuter Einfall von[403] deiner Cousine. Höre Sabinchen, das Bild mußt du mir schenken. Ich will es an eine Zitternadel befestigen, und auf meine Haube stecken.

SABINE beiseite. O weh!

FRAU STAAR. An deinem Ehrentage leih' ich es dir. Oder auch schon morgen am Verlobungstage.


Sie steckt es zu sich.


SABINE. Nein, nein, lieber will ich es nie tragen, nur keine Verlobung.

FRAU STAAR. So recht Sabinchen, ziere dich, wein' ein Tränchen, verstecke dich, das ist fein sittsam, ich hab' es auch so gemacht. Heutzutage sehen die Mädchen ihren Liebhabern starr in die Augen, und sprechen von einer Verlobung als wie von einem Rezept zu einer Mandeltorte. Höchstens bei der Trauung fallen sie noch ein bißchen in Ohnmacht.

SABINE. Aber bei mir, liebe Großmutter, ist es keine Ziererei. Ich kann den Herrn Sperling nicht ausstehn. Er hängt sich an wie eine Klette, und schwatzt wie eine Elster, – und kurz, er ist ein Narr.

FRAU STAAR. Ei ei, Kind, was redest du da? wahre deine Zunge! Ich habe schon manche Dirne spotten hören, die hinterdrein froh war, wenn der Verspottete sie heimführte.

SABINE. Lieber bleib' ich ledig.

FRAU STAAR. Ei du mein Gott! was kannst du denn gegen ihn einwenden? hat er nicht einen feinen Titel? ist er nicht Bau- Berg- und Weginspektors- Substitut?

SABINE. Das gilt mir gleich.

FRAU STAAR. Waren seine Eltern nicht honette Leute? sein Großvater hat sogar mit im Rate gesessen.

SABINE. Immerhin.

FRAU STAAR. Du kömmst da gleich in eine große Verwandtschaft.

SABINE. Desto schlimmer.

FRAU STAAR. Eine Menge Vettern und Muhmen; der eine hilft hier, der andere dort.

SABINE. O ja, alle Woche ein Familienschmaus.

FRAU STAAR. Auch gut. Dabei wirst du nicht zurückbleiben. Herrliche Wäsche bekömmst du mit, Gedecke zu achtzehn Personen. Herr Sperling hat hübsches Silberzeug; er ist auch sonst nicht arm; ein Krautland vor dem Tore und ein Erbbegräbnis in der Kirche –

SABINE. Ich wollte er läge schon darin.

FRAU STAAR. Gottloses Kind! da kömmt dein Oheim, der wird[404] dir sagen, was der Herr Bau- Berg- und Weginspektors-Substitut für ein feines Männchen ist.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 402-405.
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