Dreizehnte Szene

[447] Sperling – Vorige.


OLMERS leise. Soll ich ihn zur Tür hinauswerfen?

SABINE leise. Ums Himmels willen! verderben Sie nicht alles.

SPERLING. Da bin ich, da bin ich, mein reizendes Sabinchen, treu und folgsam wie die Schleppe an ihrem Kleide.

OLMERS. Da stehen Sie in Gefahr getreten zu werden.

SPERLING.

Ach! aber ach! das Mädchen kam,

Und nicht in acht das Veilchen nahm,

Zertrat das arme Veilchen –

OLMERS. Die Grausame!

SPERLING. Hat nichts zu bedeuten. Nicht wahr mein Bienchen? Wir wissen schon, wie wir miteinander stehen.

OLMERS. Nur nicht vor dem Altare.

SPERLING. Bald! bald!

Die Myrtenkron' im blonden Haar

Führ' ich die Holde zum Altar.

OLMERS der nur mit Mühe noch an sich hält. Wie aber, mein Herr Bau- Berg- und Weginspektors- Substitut, wenn Sie sich vorher noch mit einem Nebenbuhler den Hals brechen müßten?

SPERLING. Ei, ei, wie das?

OLMERS rückt ihm näher. Wenn man Ihnen kurz und rund heraus sagte –

SPERLING irritiert. Ei was denn? was denn?

SABINE tritt zwischen sie. Ja, Herr Olmers, Sie haben recht, es wird am besten sein, diesen Herrn um Rat zu fragen.

SPERLING. Worin denn?

SABINE Olmers winkend. Er versteht sich darauf, das dürfen Sie mir sicher glauben.

SPERLING. Worauf denn, mein Engel?

SABINE zu Sperling. Sehn Sie nur, dieser Herr hier steht im Begriff einen Roman zu vollenden.

OLMERS. Ich einen Roman?

SABINE leise. Ei so schweigen Sie doch.

SPERLING. Einen Ritterroman?

SABINE. Ja ja, es ist so eine Art von Ritterroman. Um nun die Katastrophe vorzubereiten, ist es durchaus notwendig, daß der Ritter mit seinem Mädchen eine geheime Unterredung habe.[447]

OLMERS. Ja, mein Herr, das ist durchaus notwendig.

SPERLING. Wohl, wohl, ich begreife das.

SABINE. Nun ist aber das arme Mädchen den ganzen Tag von lästigen Augen bewacht. Bald der Vater, bald die Mutter, bald der Nebenbuhler –

SPERLING. Aha! ist auch ein Nebenbuhler dabei? vermutlich eine widerliche Kreatur?

OLMERS. Jawohl, mein Herr, ein unerträglicher Narr!

SPERLING. Ich verstehe, hä! hä! hä! hä! hä!

SABINE. Es muß also eine List ersonnen werden, um der Dirne Gelegenheit zu verschaffen, unbemerkt mit ihrem Ritter zu schwatzen, denn Mit Beziehung. sie hat ihm höchst wichtige Dinge zu sagen.

SPERLING. Die der Nebenbuhler nicht hören darf?

SABINE. Nun freilich.

SPERLING. Ich verstehe. Und nun ist der Herr da in Verlegenheit, wie er das Ding einfädeln soll?

OLMERS. Allerdings. Wenn Sie die Güte haben wollten, mir mit gutem Rat beizustehn –

SPERLING. Herzlich gern. Nichts leichter auf der Welt. Er sinnt nach. Sehen Sie – zum Exempel – am Tage darf die Zusammenkunft schon nicht geschehn, denn da geht der abgeschmackte Nebenbuhler dem Mädchen nicht von der Seite.

OLMERS. So ists mein Herr.

SPERLING. Also bei Nacht! und zwar in der Geisterstunde! um Mitternacht!

SABINE. Das möchte bedenklich sein, weil das Mädchen zwar munter und mutwillig, aber doch sehr sittsam geschildert worden.

OLMERS. Das hätte doch so viel nicht zu bedeuten, da der Ritter ohnehin schon halb und halb ihr Bräutigam ist.

SABINE. Nein, Herr Olmers, die Ehre Ihrer Heldin ist mir zu lieb. Um Mitternacht wird nichts daraus. Allenfalls den Abend.

SPERLING. Wohl, wohl, den Abend. Vermutlich ist der Nebenbuhler eine Schlafmütze, die früh zu Bett geht?

SABINE. Getroffen.

SPERLING. Nun, so bleiben wir bei dem Abend. Da ist denn ein langer, einsamer Gang in der Burg, von einem Lämpchen schwach erleuchtet –

SABINE. Nein, nein, das Lokal ist bereits sehr umständlich geschildert. Da ist kein solcher Gang.[448]

SPERLING. Oder ein Garten, wo zwischen düstern Taxushecken –

SABINE. Sie vergessen, Herr Sperling, das sittsame Mädchen geht nicht zwischen die düstern Taxushecken.

OLMERS. Mich dünkt doch, dahin könnte man sie immer gehen lassen.

SABINE. Ei bewahre! das tut sie nicht.

SPERLING. So könnte der Ritter sich kurz und gut in ihr Schlafzimmer schleichen?

SABINE. Behüte der Himmel! das tut sie noch weniger.

OLMERS. Es scheint fast, sie hat kein Vertrauen zu ihrem Geliebten.

SABINE. Das wohl. Aber was würden die Rezensenten von der Moralität sagen? nein, auf solche Dinge läßt sie sich durchaus nicht ein.

SPERLING. Ja, dann sind wir doch wirklich in einiger Verlegenheit. Ich wollte, weiß Gott! herzlich gern die Sache befördern. – Schade, mein Herr, daß Sie den Charakter des Mädchens fast ein wenig zu streng und sittsam angelegt haben.

OLMERS. Sie haben recht. Ich sehe wohl, sie wird am Ende doch noch dem albernen Nebenbuhler zuteil werden.

SPERLING. Nein, nein, nein! das muß nicht geschehn. Nein durchaus nicht! das wollen wir zu verhüten suchen. Nachsinnend. Wie – wenn – das einzige, wozu das Mädchen sich allenfalls verstehen könnte, wäre etwa, vor Schlafengehn, eine kurze Unterredung vor der Haustür. Da wäre denn noch alles rings umher wach – es gingen Leute vorüber, der Nachtwächter und dergleichen. – Was meinen Sie dazu?

OLMERS. Ein herrlicher Einfall.

SABINE. Recht schicklich kömmt es mir freilich auch nicht vor –

SPERLING. Sein Sie ganz ruhig, das nehm' ich auf mich. Zu Olmers. Veranstalten Sie in Gottes Namen die Zusammenkunft auf diese Weise; dagegen kann niemand etwas einwenden.

SABINE. Nun ja, Herr Olmers, wenn es Ihnen so gefällt –

OLMERS zu Sperling. Ich befolge Ihren Rat mit Freuden.

SPERLING reibt sich sehr zufrieden die Hände. Na, so hätten wir denn doch dem armen sittsamen Mädchen aus der Klemme geholfen.[449]

SABINE macht einen Knix. Dafür muß sie sich bei Ihnen bedanken.

SPERLING. Ist gern geschehn. Vielleicht könnte man es auch so einrichten, daß der Nebenbuhler dabei auf eine lächerliche Weise hinter das Licht geführt würde?

SABINE. Allerdings.

SPERLING. Wenn er nämlich dumm genug dazu ist?

OLMERS. O ja, dafür steh' ich Ihnen.

SABINE. Wie wenn das Mädchen in Gegenwart des Nebenbuhlers ihr Rendezvous mit dem Geliebten veranstaltete?

SPERLING. Bravo! bravo! Da gibt es etwas zu lachen.

SABINE. Man könnte ihn sogar selbst mit lachen lassen.

SPERLING. Immer besser! immer besser!


Er lacht von ganzem Herzen.


SABINE. Horch! die Gäste brechen auf. Gute Nacht, meine Herren! morgen wollen wir mehr darüber lachen, denn vermutlich wird Herr Olmers noch diesen Abend alles in Richtigkeit bringen.

OLMERS. Ganz gewiß.

SABINE. Nun dann, auf Wiedersehn!


Ab.


SPERLING. Sie wollen noch heute daran arbeiten?

OLMERS. Ja, das erste Feuer muß man nutzen.

SPERLING. Sie haben – recht. – Hören Sie – wenn Ihr Roman fertig ist – darf ich mir wohl ein Exemplar davon ausbitten?

OLMERS. Er soll Ihnen dediziert werden. Ab.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 447-450.
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