Sechste Szene

[455] Herr Staar am Fenster – Vorige.


HERR STAAR über sich schauend. Herr Nachbar da oben, krakeelen Sie nicht so. Das liebe Vieh wird sogar unruhig im Stalle.

FRAU STAAR. Und die Menschen werden in der Andacht gestört.[455]

SPERLING. Ich wollte nur meiner Braut ein Ständchen bringen.

FRAU STAAR. Ei die schläft schon lange.


Sie macht das Fenster zu, indem man noch in der Ferne die letzten Töne ihres Abendlieds verhallen hört.


HERR STAAR. Wir haben heute einmal recht geschwärmt. Die Uhr ist gleich zehne.

SPERLING. Wer ist schuld daran, als der Aventürier aus der Residenz?

SABINE zu Olmers. Das sind Sie.

HERR STAAR. Und die Jungfer Naseweis, der sonst immer schon um acht Uhr die Augen zufallen.

OLMERS zu Sabine. Das sind Sie.

SPERLING. Fast kam es mir vor, als hätte sie kein Auge von dem Landstreicher verwandt.

SABINE zu Olmers. Das sind Sie.

HERR STAAR. Leider! prahlen können wir wohl mit Sittsamkeit –

OLMERS. Das geht auf Sie.

SPERLING. Und doch ertragen wir fremde Unverschämtheit.

SABINE. Das geht auf Sie.

HERR STAAR. Die Jungfer Nichte bildet sich viel auf ihr Lärvchen ein.

OLMERS. Merken Sie sich das.

SPERLING. Und der Herr Olmers auf seine philosophischen Floskeln.

SABINE. Schreiben Sie das in Ihr Gedächtnis.

HERR STAAR. Morgen muß das Ding ein Ende nehmen.

SABINE. Mit Gottes Hülfe.

SPERLING. Morgen ist Verlobung.

OLMERS. Zwischen uns.

HERR STAAR. Schlafen Sie wohl, Herr Bau- Berg- und Weginspektors-Substitut.

SPERLING. Angenehme Ruh Herr Vizekirchenvorsteher. Beide hinein.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 455-456.
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