Neunter Auftritt


[110] Der Graf – Eulalia – die Vorigen.


GRAF. Zum Henker! denkt ihr denn, ich bin ein Xenokrat, oder ich habe ein paar marmorne Spindelbeine, wie der arme Sultan Uzim Oschanty? Da lassen Sie mich immer, in Gottes Namen, mit Madam Müller allein, und bedenken nicht, daß mein Herz kein Kieselstein ist. Ich sage es Ihnen, Frau Gemahlin, wenn es noch einmal geschieht, so habe ich meine Liebeserklärung schon in petto.

GRÄFIN. Vermutlich von Ihrem Kammerdiener entworfen.

GRAF. Nein, Madam, aus einem von Ihnen aufgefangenen Liebesbriefchen entlehnt.

GRÄFIN. Also doch immer geborgt?

GRAF. Nicht doch! Alte einkassierte Schuld, abgeschrieben von einem Billet doux, das Sie vor sechs Jahren von mir erhielten.

GRÄFIN. Wie ökonomisch! und das wollen Sie nun zum zweiten Male brauchen? Wissen Sie denn nichts Neues zu sagen?

GRAF. Sie haben mich erschöpft, Madam.

GRÄFIN. Ein trauriges Bekenntnis in Gegenwart Ihrer neuen Geliebten!

GRAF komisch. Verdammtes Weib! ich komme nicht gegen sie auf. – Herr Schwager, wie stehts? wird der Fremde kommen?

MAJOR. Ich erwarte ihn jeden Augenblick.

GRAF. Das ist mir lieb. Wieder eine Gesellschaft mehr! Auf dem Lande kann man deren nicht zuviel haben.

MAJOR. Durch diesen Fremden wird unser Zirkel eben nicht erweitert werden. Er reiset morgen ab.

GRAF. Das soll er wohl bleiben lassen. Nun, Frau Gräfin, nun einmal alle Ihre Reize aufgeboten! Es ist keine Kunst, sich an einem Ehemanne zu reiben; der ist schon abgeschliffen; aber so ein fremder Sonderling, der hat scharfe Ecken. Da versuchen Sie Ihr Heil.

GRÄFIN. Wahrhaftig, die Eroberung wäre schon der Mühe wert. Aber was Madam Müller in vier Monaten nicht zustande gebracht hat, wird mir nie gelingen.[110]

EULALIA scherzend. Doch, gnädige Frau. Er hat mir nie Gelegenheit gegeben, meine Reize auf ihn wirken zu lassen. Wir haben in diesen vier Monaten einen sehr geistigen Umgang miteinander gehabt; denn wir haben uns auch nicht ein einziges Mal gesehen.

GRAF. Er ist ein Narr, und Sie sind ein Närrchen.

BITTERMANN tritt herein. Der fremde Herr will die Ehre haben aufzuwarten.

GRAF. Herzlich willkommen! Immer herein!


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 110-111.
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