Zweiter Auftritt.

[11] CAROLINE allein. Um wie viel dauerhafter, wie viel stärker ist doch die Zärtlichkeit zwischen zweyen Herzen, welche die Tugend lieben, als zwischen solchen buhlerhaften Gemüthern, welche sich durch flüchtige Schmeicheleyen einander um ihre Liebe zu betrügen suchen! Die Hochachtung bleibt doch allemal das festeste Band zwischen zweyen Seelen; und durch wie viel edle Regungen, durch wie viel Verdienste hat sich nicht mein Herrmann der meinigen auf ewig zu versichern gewust! ich kan mir niemals ohne die heftigste Freude seinen Werth auslegen, in der Betrachtung seiner Vorzüge bringe ich den vergnügtesten Theil meines Lebens zu, und ich kan mit nichts meiner Eitelkeit mehr schmeicheln, als wenn mir der süsse Gedanke einfällt, daß ich ein so verdienstvolles Herz meine zu machen gewust habe. Ja, ich kan es meinen wenigen Reitzungen nicht genug verdanken, daß sie erst die Augen meines liebenswürdigen Herrmanns auf sich gezogen und ihn dadurch gereitzt haben, durch seinen weisen Umgang dasjenige in meiner Erziehung zu ersetzen, was durch das Unglück[11] meiner Familie sehr mangelhaft geblieben war. O wenn ich daran gedenke, wie viel Erkenntlichkeit befestiget meine Hochachtung gegen ihn! allein durch was für verdrießliche Gespräche würde der tückische Arnold meine vergnügende Vorstellungen vertreiben, ich will ihm aus dem Wege gehen.


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Candidaten, oder: Die Mittel zu einem Amte zu gelangen. [Braunschweig und Hamburg, 1748], S. 11-12.
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