Siebenter Auftritt.

[71] Frau von Birkenhayn, Fräulein Wilhelmine.


FRAU VON BIRKENHAYN. Nun Wilhelmine, weil wir beyde allein seyn, so frag ich dich auf dein Gewissen; hast du nicht schon deine Religion verläugnet, und bist zu der philosophischen Secte übergegangen? Verschweige mir nichts. Hast du nicht Gott, deine Eltern, und die Brüste, die dich gesogen haben, verschwören müssen? Weint. ach du armes Schaaf! ach deine verlohrne Seele![71]

FRÄULEIN WILHELMINE. Ums Himmels willen, Mama, wie können sie solche Gedanken von der edelsten Wissenschaft hegen? die Philosophen mögen Heyden, Juden oder Türcken seyn, so schadet es ihnen an der Philosophie nicht das geringste, und die Philosophie ändert weiter nichts an ihren Glaubenslehren, als daß sie das abergläubische davon absondern, und dieselben richtiger einsehen lehret. Sie entdecket das scheinheilige eines unvernünftigen und auf die Lehrsätze der Pfaffen gebauten Gottesdienstes, und lehret ein höchstes Wesen vernünftig verehren.

FRAU VON BIRKENHAYN. Pfui, schäme dich, die Vernunft wird von allen Canzeln und Universitäten verflucht. Ach Wilhelmine! Wilhelmine! bedenke, was du deiner Mutter für Herzeleid anthust, ich werde ewig weinen müssen Weint. wann ich im Himmel seyn, und dich mit der Vernunft und allen Philosophen in der Hölle werde brennen sehen.


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt und Leipzig 1743, S. 71-72.
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