Achter Auftritt.

[72] Muffel, und die vorigen.


MUFFEL schleicht sich zur Thüre heraus, und läuft eilend aufs Frauenzimmer zu. Ich bin ein demüthiger Knecht von ihnen, gnädige Frau, und von ihnen gleichfalls gnädiges Fräulein. Warum haben sie uns[72] nicht die Ehre gegeben, und sind mit hineingegangen? Ach! ich mag sie jetzt nicht gern alleine lassen, gnädige Frau, weil sie mit dem geistlichen Zufalle als eine ehrwürdige Creutzträgerin behaftet sind. Ich wollte, daß ich sie mit meinem Gebete völlig davon befreyen könnte, ich wollte Tag und Nacht für sie auf den Knien liegen.

FRAU VON BIRKENHAYN. Ach so viel verdient eine arme Sünderin nicht. Doch, wollten sie es nicht versuchen einen ganzen Tag beständig für mich zu beten, Herr Pastor?

MUFFEL für sich. Das möchte ein Schelm aushalten. Zur Frau von Birkenhayn. O ja, gnädige Frau, ihnen zur Liebe, wohl eine ganze Woche.

FRAU VON BIRKENHAYN für sich. Eine ganze Woche würde mir zu viel Geld kosten. Zu Muffeln. Nur einen Tag, und den will ich ihnen recht gut bezahlen, denn ich weiß, daß ihr Körper auch leben will.

MUFFEL. O der Madensack braucht nicht viel! aber mein Gewissen treibt mich, ihnen eine Sache zu entdecken, für der sie sich zu hüten haben. Sie trauen dem Herrn Tempelstolz etwas zu viel zu, er hat noch nicht solch ein rechtschaffenes Herz, als sie wohl denken, und es sollte mir leid thun – – –

FRAU VON BIRKENHAYN. Ey! ey! was haben sie auf den Herrn Tempelstolz zu sagen? er ist ein frommer Mann, er ist rechtschaffen, er ist ein Eyfrer, er ist mein Beichtvater.[73]

MUFFEL. Sie haben recht gnädige Frau. Ich habe nichts an ihm auszusetzen; ich wil nur so viel sagen, daß er gegen Euer Gnaden gnädige Fräulein- Tochter nicht die gehörige Ehrerbietigkeit bezeiget. Er betrachtet ihren Stand gar nicht, er bedenkt gar nicht, daß sie ein Fräulein ist.

FRAU VON BIRKENHAYN hitzig. Das hätt ich mich nimmermehr an dem Herrn Tempelstolz vermuthet. Er wird doch an das alte Sprüchwort noch glauben: Ehre, dem Ehre gebühret! Ich bin nicht hochmüthig, aber dazu ist der Adel von Gott einmahl eingesetzt, daß die andern Stände Ehrfurcht vor ihm haben sollen.

MUFFEL. Sie haben ganz recht, gnädige Frau. Und wann ich, dero gehorsamster Knecht, der hohen Ehre gewürdigt werden könnte, mich mit dero hochadelichen und gnädigen Fräulein-Tochter zu vermählen, so würde ich nicht unrecht thun, wenn ich mich, ihres Adels wegen, der eingesetzten männlichen Herrschaft gänzlich begäbe.

WILHELMINE für sich. Der verdammte Heuchler!

MUFFEL. Es ist Schade für mich sowohl als Dero gnädige Fräulein Tochter, daß der Herr Tempelstolz schon Dero Jawort erhalten. Ich wüste sonst wohl, was ich auf des Himmels Eingebung zu thun hätte. Vielleicht würden sie auch etwas thun, gnädige Frau, wofür sie der Himmel belohnen würde.[74]

FRAU VON BIRKENHAYN. Das Jawort des Hrn. Tempelstolzen schadet ihnen nicht. Meine Tochter will ohnedem gern wählen, darum sollen sie mein Jawort auch haben. – – –


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt und Leipzig 1743, S. 72-75.
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