Der 11. (26.) Kühlpsalm

[76] Das zugleich mitschiffeten di aus Lyon und Avignon vom Pabst zur Perserbekehrung münd und schrifftlich nach Babylon beim Euphrates abgeordnete zwei Mystische Capuciner: denen er den Pabst zur Jesabel anwis, und sich im Mystischem grunde mit ihrer versätzung offenbahrte, nebenst denen an den Elias Berg Carmel abgeschikkten Carmeliten, vilen Maltheserrittern, und ihrem nach Rom erwehlten Gesandten, in Vorbeischiffung Bisertens und des Türkischen Barbariens in Africa den 24. 25. Mai 1678. zum ewigem denkmahl gesungen.


1.

Meine Seele mus Gott preisen,

Höchstbestürtzt mit neuen weisen,

Vor so wunderlich verhangen,

Und so seltnes Zilerlangen;

Vor solch scheinbarlichs versehen,

Weil sich alles wil zudrehen,

Das di welt wird recht erfahren,

Wi wir abgereiset waren.


2.

Nun di Zeiten sind verhanden,

Das am Euphrates zulanden,

Und nach art der sechsten schalen

Christus sol das Rom anstrahlen,

Wil der Pabst dergleichen treiben,

Und di Völker ihm zuschreiben,

Fängt nach Babel abzuschikken,

Um sein Babel mehr zuschmükken.


3.

Stoltzes Rom, du wirst erschrekken,

Und mit traurensflor dich dekken,

Das mich Gott dabei gefüget,

Seine krafft dich schon besiget,

Weil si täglich von mir höhren,

Was dich plötzlich sol zerstöhren,

Und verwundernd ider lernet,

Wi der Pabst den Kreis gefernet.
[77]

4.

Ob du, Pabst, si gleich gesendet,

Und mit Bullen hast verblendet,

Ihn umhalset, ihn gesegnet,

Als ein Christus ihm begegnet,

Doch ist alles vor mir eitel,

Weil du todt vom fus zur scheitel

Keine todten magst beleben,

Und nur Fluch, ni Segen geben.


5.

Deine Boten sind verwirret,

Werden Taubengleich gekirret,

Von der klarheit überwunden,

Durch di warheit eingebunden,

Weil si Gottes Finger merken,

Und ein unbegreiflich stärken,

Das si mehr und mehr erzittern,

Und von innen sich erschüttern.


6.

Si verheischen voller beten,

Vor des Höchsten stuhl zutreten,

Das so tausendfache gaben,

Mögen offenbahrung haben,

Um di Länder zubekehren,

Und dem WiderChrist zuwähren,

Weil vor blindheit si nicht kennen,

Das in dessen dinst si rennen.


7.

Libste Beide! eur gewissen

Wird euch überzeugen müssen,

Nebenst allen euren werten,

Di mehr glauben mir aufpforten,

Das mir alles wird gelingen,

Und ich freudiger mag singen,

Weil, was Gideon begeistert,

Auch durch euch mich neu bemeistert.


8.

Wann mich Rom hat angenommen,

Das von Constantinus kommen,

Um eur gantzes Rom zuläutern,

Eure nebel zuerheitern,[78]

Eure Götter zuentgöttern,

Euren Abgott zuzerschmettern,

Zeugt ihr beid, aus Gott erkohren,

Das eur Pabst und Rom verlohren.


9.

Gleich wi volle wind und wellen

Sich bei Türkscher erd einstellen,

Und nach solchem sanfften pfeiffen

Höchstgewaltsam uns fortstreiffen,

Das ihr gantz verwundert worden

Über solchen meeres-orden:

Also ist mirs zuerwarten,

Um mich wider Rom zuharten.


10.

Nun auch Carmel sol recht blühen,

Ob ein neues eiferglühen,

Weil das Rom ist anzufeuren,

Um dem Baalespfaf zusteuren,

Das er Gott den Herrn verlassen,

Und di todten wolt umfassen;

Gehen zwei nach Carmels Hügel,

Unter ihres Klosters Zügel.


11.

Weiter nun zur Bus zuruffen,

Nach Johannes Predigstuffen,

Und auf Christus blos zuschauen,

Auf ihn Kirch und Lehr zubauen,

Seiner Ankunfft vorzulauffen

Und den Mond zur Sonn zutauffen

Sind rings um mich Johannitter,

Nebenst ihrem Römschen Ritter.


12.

Nun di wahre Lilg zupflantzen

Um den Abgott einzutantzen,

Nach des Königs Davids Lidern,

Und der Ost uns zuverbrüdern,

Heisst das Schif, auf dem wir kamen,

Nach des Lilgen Printzes nahmen,

Um das heute di Delphinen

Auch zum überflus erschinen.
[79]

13.

Gleich als Josephs Wundersachen

Meine Reise wollen machen,

Auch sein Traum mit neid erzehlet,

Und ich wunderbar vermählet,

Und was noch nicht auszusagen,

Weil kein Bruder es mag tragen,

Bis es Gottes Geist einst mittelt:

Ist dis Schif auch so betittelt.


14.

Grosser Gott! mein Hertz entglimmet,

Das sich alles mit mir stimmet,

Wunderbarlich, sehreinträchtig,

Überherrlich, mächtigprächtig.

Ob ich bin der gröste Sünder,

Bleibet doch dein Ruff nichts minder.

Du wilst Väterlich mich richten;

Jesus betet vor mein sichten.


15.

Höhret, Völker, meine Lehre!

Gebet Gott hirinn di Ehre;

Weil si Gott allein gebühret,

Und er euch dadurch entrühret,

Das er wil durch aller loben,

Sein Dreieinig hoch erhoben,

Als Gott Vater mit dem Sohne,

Und dem Geist im Himmelsthrone.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 1 (Buch 1–4), Tübingen 1971, S. 76-80.
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