Sechster Auftritt.

[15] Türkischer Marsche, alsdann kommen Tartarische Soldaten mit blossen Säbeln, nach ihnen der Feld-herr Sigelvax und andere Persische Gefangene in Ketten; dann allerhand wilde Thiere, als Tyger, Löwen, Bären Camelen, Elephanten und ein Rhinocerus, auch ein Persisches altes Weib mit einem Kind; letztlich Mortong auf einem Triumph-wagen.

Dieser ganze Zug wird von lächerlichen Thieren vorgestellet.


DAS VOLK schreyet.

Es leb der Groß-vezier.

MORTONG.

Nein, Kulican soll leben,

Dem hat der Himmel Sieg, Kron, Thron und Reich gegeben.

DAS VOLK schreyt abermal.

Es leb der Groß-vezier.

MORTONG.

Es lebe Kulican.

Das ist der grosse Held.

PUMPHIA hönisch.

Und der hat nichts gethan.[15]

KULICAN.

Was hab ich nichts gethan? hab ich nicht anbefohlen,

Man soll mir diese Beut, und die Gefangne holen?

PUMPHIA.

O grosse Helden-that! die Furcht und Ehr erwecket,

Er hat, wie er gesagt, sich in das Zelt verstecket.

Das ist fürwahr genug.

KULICAN.

Du siehst ja meine Macht,

Und wie das Glücke mich mit frohem Mund anlacht.


Grimmig.


Ich bin ein Tyger-thier.

PUMPHIA lacht.

Ich muß von Herzen lachen,

Daß dich dein Hochmut kann so aufgeblasen machen,


Stehet auf.


Der Wind-hannß prahlet sich, er sey ein Tyger-thier,

Und kam der saubre Herz nicht einen Schritt von hier.

KULICAN.

Prinzeßin! halte ein, wie bist du so verwegen?

Doch, wann ein Weibs-bild schimpft, was ist daran gelegen,

Holla! Mortong verschaf, daß dieser ganze Schatz

Recht wol verwahret sey.

PUMPHIA fällt ein.

Ja, such auch einen Platz,

Daß man die wilden Thier in einen Kasten bringe,

Dann die in Schatz zu sehn, sind rechte grosse Dinge.

KULICAN.

Du, laß das Schimpfen seyn.

PUMPHIA.

Auch dieses alte Weib,

Das stunde treflich schön im Schatz zum Zeit-vertreib.

KULICAN.

Schweig![16]

PUMPHIA.

Der Rhinocerus, der wird bey meinen Leben

Den allerschönsten Stein in einem Ring abgeben.

KULICAN zu Mortong.

Geht, und verliehret nichts.

PUMPHIA fällt ein.

Ja, das wird nöhtig seyn.

Der Schade wär zu groß.

KULICAN lächlend.

Prinzeßin! halte ein.

Du schöner Wexelbalk


Für sich.


ich muß nur heimlich lachen,

Ach! sie ist gar zu schön, wen kann sie zornig machen.

Mortong zieh aus,

MORTONG.

Ja Herr! allein der Feld-herz hier,


Zeiget auf Sigelvax.


KULICAN.

Der soll bestraffet seyn, der Schelm der bleibt bey mir.

Mein Richter-spruch wird ihm das Todes-urtheil sprechen.


Mortong und der ganze Zug gehen wie vorhero unter den Türkischen Marsche ab. Der Feld-herr Sigelvax aber bleibet ganz betrübt stehen.


KULICAN.

Jetzt will ich mich an dir und deinen König rächen.


Grimmig.


Gleich komme her zu mir, verdammter Sigelvax!

SIGELVAX ängstig.

Ach Herr! Ich komme schon.


Schleicht mit langsamen Schritten zu ihm.


KULICAN.

Der Hund schleicht wie ein Tax.

Nun alter Hüner-dieb, so lieb als dir dein Leben,

Sollst du mir Rechenschaft von deinen Thaten geben,[17]

Jetzt sage alles frey, und sey dahin bedacht,

Daß du mich nicht belügst, sonst nehme dich in Acht.

SIGELVAX.

Ich will von Herzen gern die ganze Sach entdecken,

Nur Herr! so lang ich red so thu mich nicht erschrecken.

Ich war in meinem Haus, und spielte Pazika,

Die Generalite war eben damals da.

Wir hielten Krieges-raht von dir und andern Sachen,

Ich kont nicht Pazika, noch Pazikina machen.

So war mein Kopf zerstreut, mein Unglück gieng mir für,

Ein jeder sah mich an, und merkte es an mir.

Da kam ein Hauptmann her, der kont für Angst kaum stehen,

Er schrye jämmerlich, es ist um uns geschehen.

Der Feind, der sey schon hier mit Feuer und mit Schwerdt,

Er hat das ganze Land verheret, und zerstöhrt.

Gleichwie sich Meer und Flut in alle Welt ergiessen,

So sahe man das Blut von armen Menschen fliessen.

Ja unser König selbst der weinte bitterlich,

Und schrie ohn Unterlaß, erbarmt euch über mich.

Er sprach, geh! eile hin, und seh, man soll bey Zeiten

Dem Feind entgegen ziehn, und wider ihne streitten.

Die Schröckens-volle Post bracht jeden ausser Stand,

Aus Aengsten fielen uns die Karten aus der Hand.

Ich war ganz ausser mir, und konnte mich nicht regen,

Ich solte commandirn, und war kein Mann zugegen.

Doch, ich erholte mich, und eilte in den Streit,

Mit etwas Pulver, Bley, und einer Hand-voll Leut.

Ich hab mein ganzes Herz mit in die Schlacht genommen,

Und sahe schon voraus, wir würden Schläg bekommen.

Der Feind der ruckte an, wir aber eilten fort,

Der Feind war überall, und wir an keinem Ort.

In Keller, Boden, Stall hat alles sich verschlossen,

Ich wäre bald für Angst ans End der Welt geloffen.

Wo sich mein Aug hinwandt, da sah ich die Gefahr,

Nun Herz bedenke selbst, wie mir zu Mute war,

Mein König suchte sich, aus List selbst zu verstecken:

Er saß in einem Nest, die Hüner auszuhecken.

Er sprach ganz Schmerzens-voll, ach Freund! mein Land ist weg

Doch sey es, wie es sey, ich gehe nicht vom Fleck.[18]

So hörst du selbst, daß dir, mein König! nichts erschlagen,

Und ich kan ebenfals von keinem Todten sagen.

Nun weist du den Verlauf von dem, was ich gethan.


Kniet nieder.


Ach Herr! erbarme dich, ich bin ein armer Mann.

Ich hab den ganzen Krieg gewiß nicht angefangen,

Auf dieser Welt ists mir noch nie so schlecht ergangen.

Mein König schenke mir

KULICAN fällt ein.

Halts Maul verzagter Hund!

SIGELVAX.

Ach Gott! das ist gewiß die letzte Todes-stund.

KULICAN ziehet den Säbel.

Stirb!

PUMPHIA fällt ihm in Arm.

Halt!

SIGELVAX hält mit allen 2. Händen den Kopf.

O weh!

KULICAN zur Pumphia freundlich.

Nicht doch, ich will ihn nur erschröcken,

Ein Held muß allezeit bey Feinden Forcht erwecken.

Hola! Soldaten gleich bringt eine Festung her,


Soldaten lauffen geschwind ab, und bringen eine Festung herausgetragen.


Du solst, so lang du lebst, des Tages-liecht nicht mehr anschauen.

SIGELVAX.

Hast du dann die Menschlichkeit vergessen?

KULICAN.

Du solst auch schwarzes Brod, und niemals Brätel fressen.

SIGELVAX.

Für einen Groß-vetzier ist diese Kost zu schlecht,[19]

KULICAN.

Du bist kein Groß-vetzier, jetzt bist du nur mein Knecht.

Fort, sperret ihn hinein


Die Soldaten greiffen den Sigelvax an.


SIGELVAX im Abgehen weint.

Jetzt kan man klärlich sehen,

Wie man pflegt auf der Welt mit Helden umzugehen.


Die Soldaten schleppen den Sigelvax in die Festung hinein und verschliessen die Thür mit einem grossen Schloß.


PUMPHIA hönisch.

Ein neues Meister-stück von unserm Kulican.

KULICAN.

Prinzessin! sprich! hab ich vielleicht nicht recht gethan?

So macht es Kulican mit seinen grösten Feinden.

Und so verfährt er auch mit seinen liebsten Freunden.


Küst ihr die Hand.


Hier nehme mit der Hand mein Herz, und auch mein Reich.

PUMPHIA.

Das Sprich-wort heist: der Baum fällt nicht auf einem Streich.

Jetzt lasse mich allein, ich will bey mir bedenken,

Ob es auch möglich sey, mein Herze dir zu schenken.

KULICAN vor sich.

Ihr Götter! eure Hülf, und eure grosse Macht,

Hat mir ganz Persien in meine Händ gebracht.

Doch bey der Pumphia das Herze zu besiegen,

Förcht ich, der Sieger selbst wird müssen unterliegen.


Nimmt Pumphia kniend bey der Hand.


Prinzeßin! liebster Schatz! sprich nur ein einzigs Wort,

Das mir mein Leiden stillt, so geh ich willig fort.

So will ich ganz getröst, mein Leben! dich verlassen.

PUMPHIA betrübt.

Geh fort du schlimmer Mensch, ich kan dich doch nicht hassen.[20]

KULICAN.

Nein, liebe mich vielmehr, du Wunder dieser Zeit,

Du Lab-sal meiner Brust, du aller Menschen Freud.

Ach ende meinen Schmerz.


Küst ihr wieder die Hand.


PUMPHIA schamhaftig.

Betrachte meine Jugend.

KULICAN heftig.

Erkenne meine Qual.

PUMPHIA entrüstet.

Erkenne meine Tugend.

Undankbarer! beginn ich nicht genug für dich,

Da ich dir Hofnung gieb, geh fort, und lasse mich.

KULICAN steht auf.

So wird doch noch für mich die Gnaden-sonne scheinen,


Küst ihr die Hand.


Prinzeßin lebe wol, ich geh, sonst muß ich weinen.


Geht mit beständigen Umschauen mit Soldaten weinend ab.


PUMPHIA wann Kulican ab, fängt Pumphia laut an zu lachen.

Geh du verhaster Mensch, geh du verliebter Brand,

Jetzt ist es aus mit dir, du bist in meiner Hand.

Du hast mir lang genug von Liebe vorgelogen,

Betrüger! falscher Mann! nun bist du selbst betrogen.

Du meinst, ich liebe dich, wart, bis du sie erst hast,

Dann halte sie recht fest, du närrischer Phantast.

Wie listig bin ich nicht dem falschen Netz entgangen,

Das er geleget hat, jetzt ist er selbst gefangen.

Geprießnes Frauen-volk! nehmt diese Lehr in Acht,

Wann euch ein Cortisan zu viel Caressen macht,

So meint er es nicht treu, so will er euch verführen,

Ihr werdet nur durch ihn Ruhm, Glück, und Ehr verlieren.[21]

Ja liebe Jungfern traut nur keinem Manns-bild nicht,

Er weinet mit Betrug, ja was er euch verspricht,

Ist lauter Schelmerey, sein Fluchen, und sein Schwören

Ist ein Syren-gesang, das müst ihr nicht anhören.

Ich kenn das Männer-volk von langen Zeiten her

So gut, als wann ich selbst ein würklichs Manns-bild wär.

Hätt' ich den Ehestand schon längsten nicht erfahren,

Der Himmel sollte mich vor einem Mann bewahren.


Aria.


Wann gleich ein Manns-bild rotzt, und weint,

Was ligt mir dann daran,

Was geht es mich dann an;

Er sagt ganz frey,

Ohn allen Scheu,

Der wilde böse Fratz,

Ich sterb für dich bey meiner Treu,

Mein allerliebster Schatz.

Ey ja Monsieur, man glaubt es nicht,

Wann gleich ein solcher Vogel spricht,

Ich sterb für dich mein Schatz.

Ach! liebe Jungfern glaubt es mir,

Der Schluß ist schon gemacht,

Drum nemmt euch wol in Acht.

Ein Manns-bild ist ein falsches Thier,

Der Schluß ist schon gemacht.

Ach liebe Jungfern glaubt es mir,

Und nemmt euch doch in Acht.

Ich red aus der Erfahrenheit,

Ach liebe Jungfern seyd gescheid,

Und nemmt euch wol in Acht.


Pumphia ab.


Ende der ersten Abhandlung.


Quelle:
Joseph Kurz: Prinzessin Pumphia. Wien 1883, S. 15-22.
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