11. Szene.

[109] Eduard. Wilhelm. Emilie.


WILHELM zieht Emilien an der Hand zur Mitteltür herein.

EMILIE. Laß mich los.

WILHELM. Erst antworte mir.

EMILIE. Nein, ich will nicht. Au, du tust mir weh, du Grobian.

EDUARD vortretend. Aber, Kinder, Ihr zankt Euch ja? Ich denke, das kommt bei Euch gar nicht vor?

WILHELM. Es würde auch nicht vorkommen, wenn meine Frau nicht eigensinnig wäre.

EMILIE. Ich eigensinnig? Du bist grob! Herr Klein, Sie sind ein Freund und halber Verwandter unseres Hauses, Sie sollen entscheiden. Zieht Eduard zu sich.

WILHELM. Ja wohl, du bist ein Verwandter und halber Freund unseres Hauses, also entscheide! Zieht ihn zu sich; dasselbe Spiel wiederholt sich bei den folgenden Wechselreden.

EMILIE. Denken Sie sich, ich komme heute Nachmittag nach Hause und sage ganz ruhig zu meinem Manne: Wilhelm, das Wetter ist heute so schön, wir wollen abends im Friedrichsgarten ein Glas Bier trinken.

WILHELM. Ich sage darauf ebenso ruhig: Liebes Kind, heute Abend kann ich nicht, du weißt, es ist heute Vereinsabend.

EMILIE. Vereinsabend, müssen Sie wissen, ist nämlich alle Montage, schönes Wetter ist aber nicht alle Montage. Es war doch also gar nicht so unnatürlich, daß ich meinen Mann bat, mit mir auszugehen – wie?

WILHELM. Die Sache ist nämlich die: Meine Frau weiß, daß ich Montags in den Verein muß, und es ist ihr auch nie eingefallen, an diesem Tage mit mir ausgehen zu wollen. Du wirst es also sehr natürlich finden, wenn ich sage, es hat sie jemand aufgehetzt – wie?[109]

EMILIE. Ich bitte meinen Mann, heute mir zu Gefallen eine Ausnahme zu machen.

WILHELM. Ich verlange von meiner Frau, daß sie mir sagt, wer ihr solche Dinge in den Kopf gesetzt hat. Sie schweigt hartnäckig.

EMILIE. Er schreit mich an: Ich weiß, woher das kommt, deine Mutter hat dich gegen mich aufgehetzt.

WILHELM. Sie fängt an zu weinen. Das ärgert mich, denn sie weiß, ich kann das Heulen nicht leiden.

EMILIE. Da packt er mich bei der Hand – denken Sie sich – und zieht mich über die Straße mit hieher.

WILHELM. Ich sage immerwährend: Gib mir Antwort, dann lasse ich dich los und gehe allein; sie denkt aber gar nicht daran, mich zu beruhigen, trotzdem die Leute auf der Straße sehen, wie ich mich ärgere. Nun sage unparteiisch: Wer hat recht?

EMILIE. Ich unterdrücke gewaltsam meine Tränen und bitte nur, laß mich los, du siehst, die Leute auf der Straße stehen still und sehen uns nach. Er hört aber nicht und schleift mich wie ein Opferlamm weiter. Nun sagen Sie unparteiisch: Wer hat recht?!

WILHELM zu Eduard. Nun, warum sprichst du nicht?

EDUARD. Wie kann ich reden, wenn Ihr beide zugleich schreit?

EMILIE zu Wilhelm. Siehst du, du schreist.

WILHELM. Ich gebe nicht nach, bis ich weiß, wer den Skandal angezettelt hat.

EMILIE. Nun, du.

WILHELM. Nein, deine Mutter.

EMILIE. Ach, mach' dich nicht lächerlich.

EDUARD. Da kommt Herr Hasemann.

EMILIE. Mein Vater! Sei still und laß ihn nichts merken. Spricht leise mit Wilhelm weiter und verschließt ihm, ihn küssend, den Mund.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 109-110.
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