13. Szene.

[52] Vorige. Ohne Minna.


LEOPOLD. Vielleicht Ist es Ihnen erwünscht, Herr Schwalbach, mit meinem Vater allein zu sprechen? Soll ich mich entfernen?

SCHWALBACH. Nein. Das, was ich Ihrem Herrn Vater zu sagen habe, geht ja Sie am meisten an.

WEIGELT. Sehr richtig. – Schwalbach ein Zigarrenetui präsentierend. Zigarre gefällig? Echt importiert, 540 Mark. Wenn ich sage 540 Mark, denn meine ich per Mille.

SCHWALBACH. Danke, ich rauche nicht.

WEIGELT. Sie rauchen auch nicht? Aber essen tun Sie doch? Vielleicht ein Caviarsemmelchen mit Lachs, oder so was?

SCHWALBACH. Bitte, kommen wir zur Sache, meine Zeit ist gemessen.

LEOPOLD schiebt Schwalbach einen Stuhl hin; dieser setzt sich und dankt Leopold mit einer leichten Kopfbewegung.

SCHWALBACH. Ihr Herr Sohn hat um die Hand meiner Tochter Emilie angehalten. Dieser Antrag kam mir nicht unerwartet, denn meine Tochter hatte mir schon vorher erklärt, daß sie in einer Verbindung mit Ihrem Sohne das Glück ihres Lebens sehen würde.

WEIGELT hat sich ebenfalls einen Stuhl genommen und dicht neben Schwalbach gesetzt. Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Ich sollte es zwar in seiner Gegenwart nicht sagen, aber – Schwalbach halb ins Ohr flüsternd. es ist ein ausgezeichneter Mensch.

LEOPOLD. Aber Vater!

WEIGELT. Das hast du gehört? Zu Schwalbach. Was sagen Sie zu die Ohren?

SCHWALBACH. Sie können sich wohl denken, daß ich als vorsichtiger Geschäftsmann und gewissenhafter Vater vorher Erkundigungen einziehen muß, ehe ich mein Jawort gebe.

WEIGELT. Und deshalb kommen Sie zu mir? Das ist vernünftig, da sind Sie an der richtigen Quelle.

SCHWALBACH. Ich habe mir erlaubt, auch anderweitig Erkundigungen einzuziehen, und ich muß offen gestehen, das, was ich über Ihren Herrn Sohn erfahren habe, ist nicht gerade das Vorteilhafteste.

LEOPOLD überrascht. Wie?!

WEIGELT. Verleumdung! Es hat ihn einer angeschwärzt!

SCHWALBACH. Ich prüfe zu genau, als daß man jemand[53] bei mir anschwärzen könnte; ich lasse mir aber auch ebensowenig etwas weißmachen, und wenn Ihr Herr Sohn von Ihren glänzenden Vermögensverhältnissen gesprochen hat –

WEIGELT. Das stimmt, das Vermögen ist da. Wirft sich stolz in den Sessel zurück.

SCHWALBACH. Sie täuschen sich hierüber vielleicht selbst, Herr Weigelt. Aber gleichviel, ich lege keinen allzu großen Wert auf die Vermögensumstände meines zukünftigen Schwiegersohnes.

WEIGELT Schwalbach vertraulich auf die Kniee klopfend. Es ist ja auch Nebensache. Wenn einer so viel Geld hat wie Sie!

SCHWALBACH. Sie vermuten also, daß ich reich bin?

WEIGELT. Kleiner Schäker! Als ob mir Leopold das nicht gleich gesagt hätte!

SCHWALBACH. So?

LEOPOLD bei Seite. Er wird noch Alles verderben.

SCHWALBACH. Nun, Herr Leopold hat ganz recht, wenn er in meiner Tochter eine reiche Erbin sieht.

LEOPOLD. Herr Schwalbach, Sie werden mir hoffentlich glauben, wenn ich versichre, daß nicht dieser Umstand –

SCHWALBACH. Bitte, unterbrechen Sie mich nicht.

WEIGELT. Jawohl, Leopold, was red'st du dazwischen? Wir sind gerade im besten Zuge.

SCHWALBACH. Vor allen Dingen bestimmt die Moral, die Ehrenhaftigkeit des Charakters den Wert des Mannes.

WEIGELT. So ist es, und mein Leopold ist ein Muster.

SCHWALBACH. Ich muß leider widersprechen. Aber wenn Ihr Herr Sohn ein etwas leichtes, sogar frivoles Leben führt, so trifft die Schuld dafür zum Teil auch wohl Sie, Herr Weigelt.

WEIGELT erstaunt. Mir?

SCHWALBACH lächelnd. Ja, Sie. Sie sind, wenn auch vielleicht nur aus übergroßer Zärtlichkeit und Liebe, zu nachsichtig, zu vertrauensvoll gewesen; indessen ein Vater hat ernste, strenge Pflichten für die Erziehung seiner Kinder.

WEIGELT. Ich habe auch alles Mögliche getan.

SCHWALBACH. Aber doch wohl umsonst.

WEIGELT. Im Gegenteil, es hat 'ne Masse Geld gekostet. Aber das schad't nischt, und wenn es noch mehr kostet – ich gebe alles für meinen Leopold, und wenn ich als Bettler sterben soll!

SCHWALBACH. Als Bettler sterben, wäre noch nicht das[54] Schlimmste, wenn Sie nur nicht als Bettler leben müssen. Aufstehend. Doch kommen wir zum Ziele. Ich will glauben, daß aufrichtige Liebe einen jungen Mann, selbst wenn er bis dahin ein sehr leichtfertiges Leben geführt hat, zur Umkehr, zu ernsten, soliden Gedanken kräftigen kann. Ich will auch kein grausamer Komödienvater sein, der dem Herzenswunsche seines einzigen Kindes starren Eigensinn entgegensetzt.

WEIGELT. Das wär' auch gemein.

SCHWALBACH. Aber – das gebietet mir meine Pflicht – erst muß ich überzeugt sein, daß die Liebe Ihres Sohnes zu meinem Kinde eine wirklich aufrichtige ist, und daß sie ihn anspornt, mit der Vergangenheit abzuschließen, ein neues Leben zu beginnen, sich eine Stellung zu erringen, in welcher er seine Fähigkeiten und Kenntnisse, sich selbst und der Gesellschaft zum Nutzen, verwerten kann.

WEIGELT. O, mein Leopold hat sehr gute Aussichten.

SCHWALBACH. Für gute Aussichten, mein lieber Herr Weigelt, braucht man ein Perspektiv, aber keine Frau. Ich verlange Beweise, Tatsachen. Und bis dahin muß ich – so leid es mir auch meiner Tochter wegen tut – Nein sagen.

LEOPOLD. Das heißt –?

SCHWALBACH. Das heißt, junger Mann, ich erlaube Ihnen, um meine Emilie zu werben, oder besser, sie sich zu erwerben. Versuchen Sie es, ich will Sie gern dabei unterstützen. Adieu! Weigelt die Hand reichend. Mein lieber Herr Weigelt –

WEIGELT. Alles in schönster Ordnung, wir sind einig. Ob das nu ein paar Wochen länger dauert, darauf kommt's ja nich an. Es war mir sehr angenehm – ich werde Ihnen das Geleite geben.

SCHWALBACH. Sie sind zu freundlich.

WEIGELT. Bitte, bitte. Geleitet Schwalbach unter vielen Komplimenten zur Mitteltür hinaus und folgt sodann.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 52-55.
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