Juli

[123] Weißglühende Sonne und staubige Luft,

Kopfschmerzen und müde Glieder,

Verstaubt und grau sind Blumen und Blatt,

Verstummt sind Lachen und Lieder.


Ich liege bewegungslos im Gras,

Ein Leichnam mit Fühlen und Denken –

Wann wirst du, launische Dame Natur,

Uns Blitz und Regen schenken?
[123]

Ein abgeflatterter Schmetterling

Zuckt neben mir mit den Schwingen,

Ich trete ihn tot – das Leben kann

Ihm doch keine Freude mehr bringen.


Ein saurer, fauliger Schweißgeruch

Steigt auf aus allen Teichen,

Als wollte aus einem entstellten Leib

Das Leichengas entweichen.


Und Gähnen durchzieht die Lebewelt,

Ein Lechzen nach Tod und Ruhe –

Jetzt nagle den Deckel auf den Sarg,

Natur, und schließe die Truhe.


Den armen Menschen zum mindesten

Darfst traumlose Ruhe du geben,

Ein fauler Witz ohne Saft und Kraft

Ist das ganze, menschliche Leben.


Münster, 4. Dezember 1889


Quelle:
Hermann Löns: Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig 1924, S. 123-124.
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