Regen

[113] Der Himmel hält große Wäsche heut

Und säubert die staubige Erde,

Damit so glänzend und rein ihr Gewand

Wie am ersten Maitage werde.
[113]

Das donnert und blitzt und prasselt und klatscht

Hernieder auf Zweige und Blätter,

Der durstige Rasen trinkt sich satt

Nach langem, trockenem Wetter.


Ich wollt, von dem kühlend erfrischenden Guß

Würd' auch mein Herz getroffen,

Hinweggespült wie der Staub vom Gras

Würd' Glaube, Liebe und Hoffen.


Eine weiße Rose vor mir steht,

Geöffnet ist das Fenster –

Hinaus damit, verschwindet jetzt

Ihr sentimentalen Gespenster.


Das Stück von »Du und Ich« ist aus,

Der Vorhang wird geschlossen,

Die Lebenszeit zu kostbar ist

Für solche Narrenspossen.


Klar muß der Geist und nüchtern sein

Im frischen Arbeitsgetriebe –

Du uraltschöne Allnatur,

Du bleibst meine letzte Liebe!


1889


Quelle:
Hermann Löns: Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig 1924, S. 113-114.
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