Die Sonne und die Frösche

[115] Als ein Tyrann einst Hochzeit hielt voll Pracht,

Ertränkte froh das Volk sein Leid im Wein.

Äsop nur hielt's für dumm und unbedacht,

Bei solchem Feste so voll Lust zu sein.

»Die Sonne«, sprach er, »zog einst in Betracht,

Zu treten in den Ehestand hinein;

Einstimmig hört man da die Frösche schrein

Und angstvoll bei dem Schicksal sich beklagen:

›Schon eine Sonne läßt sich kaum ertragen,

Was tun wir, kommt nun gar der Kindersegen!

Scheint erst ein halbes Dutzend Sonnen her,

So werden sie das große Weltenmeer

Mit all seinen Bewohnern trockenlegen.

Ade dann, Sumpf, du Stätte unsres Glücks!

Für uns bleibt nur die schwarze Flut des Styx.‹ –

Das war, so scheint es mir,

Nicht schlecht gesprochen für ein armes Tier.«

Quelle:
Lafontaine, Jean de: Fabeln. Berlin 1923, S. 115-116.
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