I. Der Besitzer des Bogens Ein Mann hatte einen trefflichen Bogen von Ebenholz, mit dem er sehr weit und sehr sicher schoß, und den er ungemein wert hielt. Einst aber, als er ihn aufmerksam betrachtete, sprach er: Ein wenig zu ...
I. Der Sperling und die Feldmaus Zur Feldmaus sprach ein Spatz: Sieh dort den Adler sitzen! Sieh, weil du ihn noch siehst! er wiegt den Körper schon; Bereit zum kühnen Flug, bekannt mit Sonn' und Blitzen, Zielt er nach Jovis Thron ...
I. Die eherne Bildsäule Die eherne Bildsäule eines vortrefflichen Künstlers schmolz durch die Hitze einer wütenden Feuersbrunst in einen Klumpen. Dieser Klumpen kam einem andern Künstler in die Hände, und durch seine Geschicklichkeit verfertigte er eine neue Bildsäule daraus; von ...
I. Die Erscheinung In der einsamsten Tiefe jenes Waldes, wo ich schon manches redende Tier belauscht, lag ich an einem sanften Wasserfalle und war bemüht, einem meiner Märchen den leichten poetischen Schmuck zu geben, in welchem am liebsten zu erscheinen ...
X. Der Löwe und die Mücke Ein junger Held vom muntern Heere, Das nur der Sonnenschein belebt, Und das mit saugendem Gewehre Nach Ruhm gestochner Beulen strebt, Doch die man noch zum großen Glücke, Durch zwei Paar Strümpfe hindern kann ...
X. (4) Der Löwe fuhr weiter fort: Der Rangstreit, wenn ich es recht überlege, ist ein nichtswürdiger Streit! Haltet mich für den Vornehmsten oder für den Geringsten; es gilt mir gleich viel. Genug ich kenne mich! – Und so ging er ...
X. Die Esel Fabul. Aesop. 112 Die Esel beklagten sich bei dem Zeus, daß die Menschen mit ihnen zu grausam umgingen. Unser starker Rücken, sagten sie, trägt ihre Lasten, unter welchen sie und jedes schwächere Tier erliegen müßten. Und doch ...
X. Die Grille und die Nachtigall Ich versichre dich, sagte die Grille zu der Nachtigall, daß es meinem Gesange gar nicht an Bewundrern fehlt. – Nenne mir sie doch, sprach die Nachtigall. – Die arbeitsamen Schnitter, versetzte die Grille, hören mich mit ...
XI. Das beschützte Lamm Fabul. Aesop. 157 Hylax, aus dem Geschlechte der Wolfshunde, bewachte ein frommes Lamm. Ihn erblickte Lykodes, der gleichfalls an Haar, Schnauze und Ohren einem Wolfe ähnlicher war, als einem Hunde, und fuhr auf ihn los. Wolf ...
XI. Das Kruzifix Hans, spricht der Pater, du mußt laufen, Uns in der nächsten Stadt ein Kruzifix zu kaufen. Nimm Matzen mit, hier hast du Geld. Du wirst wohl sehn, wie teuer man es hält. Hans kömmt mit Matzen nach ...
XI. Der Bär und der Elefant Aelianus de nat. animal. lib. II. cap. II Die unverständigen Menschen! sagte der Bär zu dem Elefanten. Was fordern sie nicht alles von uns bessern Tieren! Ich muß nach der Musik tanzen; ich, der ...
XI. Die Nachtigall und der Habicht Ein Habicht schoß auf eine singende Nachtigall. Da du so lieblich singst, sprach er, wie vortrefflich wirst du schmecken! War es höhnische Bosheit, oder war es Einfalt, was der Habicht sagte? Ich weiß nicht ...
XII. Der Eremit Im Walde nah bei einer Stadt, Die man mir nicht genennet hat, Ließ einst ein seltenes Gefieder, Ein junger Eremit sich nieder. »In einer Stadt, denkt Applikant, Die man ihm nicht genannt? Was muß er wohl für ...
XII. Der kriegerische Wolf Mein Vater, glorreichen Andenkens, sagte ein junger Wolf zu einem Fuchse, das war ein rechter Held! Wie fürchterlich hat er sich nicht in der ganzen Gegend gemacht! Er hat über mehr als zweihundert Feinde, nach und ...
XII. Der Strauß Das pfeilschnelle Renntier sahe den Strauß, und sprach: Das Laufen des Straußes ist so außerordentlich eben nicht; aber ohne Zweifel fliegt er desto besser. Ein andermal sahe der Adler den Strauß und sprach: Fliegen kann der Strauß ...
XII. Jupiter und Apollo Fab. Aesop. 187 Jupiter und Apollo stritten, welcher von ihnen der beste Bogenschütze sei. Laß uns die Probe machen! sagte Apollo. Er spannte seinen Bogen, und schoß so mitten in das bemerkte Ziel, daß Jupiter keine ...
XIII. XIV. Die Wohltaten, in zwei Fabeln (1) Hast du wohl einen größern Wohltäter unter den Tieren, als uns? fragte die Biene den Menschen. Ja wohl! erwiderte dieser. »Und wen?« Das Schaf! Denn seine Wolle ist mir notwendig, und dein ...
XIII. Der Phönix Nach vielen Jahrhunderten gefiel es dem Phönix, sich wieder einmal sehen zu lassen. Er erschien, und alle Tiere und Vögel versammelten sich um ihn. Sie gafften, sie staunten, sie bewunderten und brachen in entzückendes Lob aus. Bald ...
XIII. Die Brille Dem alten Freiherrn von Chrysant, Wagts Amor, einen Streich zu spielen. Für einen Hagestolz bekannt, Fing, um die Sechzig, er sich wieder an zu fühlen. Es flatterte, von Alt und Jung begafft, Mit Reizen ganz besondrer Kraft ...
XIII. Die Wasserschlange Fab. Aesop. 167. Phaedrus lib. I. Fab. 2 Zeus hatte nunmehr den Fröschen einen andern König gegeben; anstatt eines friedlichen Klotzes, eine gefräßige Wasserschlange. Willst du unser König sein, schrieen die Frösche, warum verschlingst du uns? – Darum ...
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Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«
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