Wahrspruch

[38] Im Traume schritt ich jüngst ins Feld,

Zwei Männer mir zur Seite.

Sie hatten zum Geleite

Sich unterwegs zu mir gesellt.


Der Eine war mir fremd, doch war

Er mir als Freund erschienen.

Dies ward aus seinen Mienen

Beim ersten Blick mir offenbar.


Den Andern kannt' ich Zug für Zug.

Er war's, den unverblichen

Ich wie mit erznen Strichen

Als Bild in meiner Seele trug.


Wir gingen schweigend durch das Land

Zur Nacht. Ein abendspäter

Lichtschein verglomm im Äther.

Da nahm der Fremde meine Hand


Und sprach: Geloben lass mich laut,

Dass ich mich dir ergeben.

O wäre doch dein Leben

Auch meinen Händen anvertraut.[39]

Der Andre drauf: Ihr Leben? Nein!

Die unsichtbaren Enden

Behalte ich in Händen.

Er sprach's und ging. Ich blieb allein.

Quelle:
Hedwig Lachmann: Gesammelte Gedichte. Potsdam 1919, S. 38-40.
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