|
[135] Die Vorigen. Ein Lanzknecht, von zwei Boten gefolgt, tritt auf.
LANZKNECHT.
Zwei Boten, Herr, treffen soeben ein,
Mit eil'ger Nachricht Euer Ohr begehrend.
ERSTER BOTE vortretend.
Herr! laßt's mich nicht entgelten, wenn ich Euch
Unliebe Mähre künde. Ritter Renneberg,
Welcher in Klev' und Jülich für Euch warb,
Entsendet mich. Der Herzog hat durch ein Edikt,
Das mit Verlust von Lehn und Leben straft,
Den, der Euch zuzieht, raschen Halt gesetzt
Der Flut, die schon des Ritters Lager schwellte.
Mutlos zerstreuten sich die schon Geworbnen
An diesem Damm, der ihren Zuwachs brach.
ZWEITER BOTE.
Dasselbe meld ich aus Westfalen Euch und Limpurg,
Ein Gleiches aus dem Kölnschen Stift, allwo
Durch gleiches Drohn der Erzbischof den Austritt
Von Euren Reitern hemmt.
Bewegung unter den Umstehenden.
FRANZ spöttisch.
Sieh! sieh! Wie rasch und einig
Auf einmal unsres Reiches Fürsten sind,
Die ewig hadernden, beratenden!
An Wunder grenzt's! Kaum reiß ich aus der Scheide
Dies gute Schwert, um sie in eins zu schweißen,
Und – seit das Reich steht, kenn ich keinen Fall! –
Schon kommen sie, dem Wunsch Gewährung lächelnd,
Mir flugs geeint entgegen! – Solche Willigkeit
Ist halber Sieg, verdient, daß man sie merke.
Habt Dank für gute Botschaft!
Boten ab.
[135] Zu den Hauptleuten und Rittern.
Wer von Euch
Braucht Teilnehmer an Ruhm und Beute? Wer
Denkt so gering von sich, daß er sich nicht
Genügt?
ALLE stürmisch.
Nicht einer, Franz! Dreimal genug
Sind wir uns selbst, solang dein Geist uns führt.
Ein Reisiger tritt hastig auf.
FRANZ.
Habt Dank!
FROWIN fast gleichzeitig.
Wer naht sich da mit schnellem Schritt?
Sein unstet Auge zeigt, daß er wen sucht.
REISIGER auf Franz zutretend.
Ihr seid Franziskus. Ich erkenn Euch Herr!
Von Michel Minckwitz's Reis'gen bin ich einer,
Der Euch mit einem Fähnlein Reitern und
Mit fünfzehnhundert Knechten, die er warb,
Aus Braunschweig zuzog. Da, ganz unversehens,
Überfällt mit überlegner Macht uns Philipp,
Der Landgraf Hessens, stäubt uns auseinander,
Schlägt Ritter Minckwitz selbst in Bande und
Bemächtigt sich der Kriegeskasse. – Ich
Hetzte mein Pferd zu Tod, um Euch die Kunde
Zeitig zu bringen.
FRANZ beiseite zu Jörg.
Schlecht verstehen sich
Auf ihren Dienst die Posten, daß sie nicht
Die Boten in mein Zelt geleiten. Übel
Ziemt sich's, daß hier vor meines Heeres Führern allen
Die Jagd der Unglücksposten auf mich dringt.
Jörg ab und bald darauf zurück.
Zum Reisigen gewendet.
An deiner Eile zweifl' ich nicht. Wärt Ihr
Gestanden, wie Ihr lieft, – Ihr hättet greinend
Den Knaben Philipp heimgeschickt nach Darmstadt.
REISIGER.
Der Träger schlechter Botschaft muß es dulden.
Wenn sich der Zorn des Hörers auf ihn kehrt.
Ja, mehren muß ich ihn durch schlechtre Kunde:
Eiligst heran mit starkem Heere rückt
Zu Triers Entsatz der Landgraf Philipp selbst.
Bewegung unter den Umstehenden.
FRANZ.
Triumph, Ihr Herrn!
Zum Reisigen.
Du bist ein Schlaukopf, der den schlechten Anfang[136]
Der Rede durch des Schlusses Gold verbrämt!
– Laßt ihm ein Pferd und beßre Waffen reichen.
Zu den Rittern.
Umsonst sucht' ich mit eifrigem Bemühn,
Den Bischof aus der Stadt zur Schlacht zu locken.
Jetzt seid gewiß, trifft Philipp ein, läßt's ihn
Nicht drinnen mehr! Dem Helfer helfend wagt
Der Pfaffe sich ins offne Feld. Ein Schlag
Vernichtet beide dann, wenn unsre Schwerter
Die alten noch, und öffnet uns die Stadt.
FROWIN stürmisch das Schwert ziehend.
Hoch lebe Franz! Führ Philipp uns entgegen,
Des Sieges macht dein Banner uns gewiß.
ALLE ebenso.
So sei's! Hoch lebe Franz!
KURT hinter der Szene.
Ihr mich zurückhalten
Von meinem Herrn? Mich, der jetzt seit vier Tagen
Mit den Minuten um die Wette läuft,
Um früher ihn zu finden? Lange Schufte Ihr!
Mit jeder Hand einen Lanzknecht, der ihn hindern will, weit von sich schleudernd, kommt Kurt auf die Bühne gestürzt und sinkt mit den Zeichen äußerster Erschöpfung vor Franz zusammen.
Ach lieber Herr! – so hab ich endlich Euch!
FRANZ.
Wie Kurt, du bist's? Was treibst du hier? Ich ließ dich
Auf Landstuhl bei der Burgmannschaft zurück,
Beim Balthasar. Was willst du hier? So rede!
KURT nach Luft ringend.
O gleich, Herr – gleich – ich kann nicht mehr – bin auch
Der Kurt nicht mehr – denn seit vier Tagen bin ich –
Zum Windhund worden –
FRANZ.
Bringt 'nen Becher Weins,
Daß er sich stärke.
KURT.
Laßt mir lieber bringen –
'ne neue Lunge – Herr – die alte lief ich –
In Stücke, fürcht ich –
Ein Landsknecht bringt ihm einen Becher. Kurt faßt ihn mit beiden Händen und leert ihn mit einem hastigen Zuge.
Ah! Im Humpen wohnen
Selbst neue Lungen!
FRANZ.
Willst du reden jetzt!
KURT.
Ja, Herr! – Auf Landstuhl also ließt Ihr mich[137]
Zu Balthasars Befehl. Der stellte mich
Zu dem Geleit, das Euch die Pulverfässer
Von dort zuführen sollte.
FRANZ.
Sprich, wo weilt
So lange der Transport?
KURT.
Wir hatten noch
Nicht einen Tagesmarsch zurückgelegt,
Als uns im Frieden – ohne Fehdekünd'gung –
Der Pfalzgraf überfallen ließ, zur Beute
Die Fässer nahm –
FRANZ heftig auffahrend.
Der Pfalzgraf, sagtest du?
Das lügst du, Bursch!
KURT.
Ich lügen, Herr? Hört weiter!
Er warf uns nieder, macht' uns zu Gefangnen;
Doch nicht genug! An starken Heeres Spitze
Rückt er im Eilmarsch wider Euch heran;
In dreien Tagen steht er hier wo ich.
Uns führt' er mit sich bei dem Troß, doch mir
Glückt' es zu fliehn. Tot lief ich mich, um Euch
Zur rechten Zeit die Nachricht kundzutun.
Wartet Ihr's ab – so seht Ihr, ob ich lüge.
FRANZ der währenddessen in der heftigsten Erschütterung dagestanden, zu Ulrich.
Sieh, Ulrich – das – das traf ins Herz! – –
– Von allen Fürsten er war es allein,
Den ich geliebt, dem dieses Herz vertrauend
Entgegenschlug. Im Blut gehärtet waren
Die eh'rnen Bande, die uns beide einten!
Für ihn Rebell an Kaisers Majestät,
Um seiner Treu' zu ihm bestieg mein Vater
Das Blutgerüst! Für ihn entrollte schmählich
Sein edles Haupt des Henkers blut'gem Beil.
Ich hielt die Treu', in Vaters Blut getauft:
– So lohnt er, Schweickhardts Sohn, so lohnt er mir!
Auf alles – darauf nicht war ich gefaßt!
Nur ihn nicht glaubte ich als Feind zu sehn.
– Zertrümmert liegen meine Rechnungen,
Mit einem Riß zuschanden ward gemacht
Menschennatur und Menschenwitz durch – Fürstenehrgeiz!
Er tritt, während ihn Hutten mit dem Ausdrucke größter Teilnahme umarmt, einige Schritte in die Reihen der Umstehenden zurück, unter welchen seit der Erzählung Kurts[138] ein immer steigendes Gemurmel und Bewegung um sich gegriffen haben.
FÜRSTENBERG.
Mir deucht, es nimmt das Spiel ein schlimmes Ende!
Wir sind verloren, wenn wir sie erwarten.
FROWIN.
Nicht weniger verloren, wenn wir ziehn.
Denn ziehn wir ab, rückt uns der Richard nach.
EITELFRITZ.
Verlaßt Euch drauf, das wird er sicherlich.
FROWIN.
Verfolgt, umschlossen von dreifachem Heer –
Wie wollt Ihr einen Rückzug da vollbringen?
– Was sagtet Ihr?
EITELFRITZ.
Ich? Nicht ein Wort! Ich weiß
Sowenig einen Rettungsweg wie Ihr.
FRANZ der inzwischen mit verschränkten Armen in sich versunken dagestanden, wieder in die Mitte des Kreises tretend.
Wer spricht hier von verloren? Was ist hier
Verloren? Seid Ihr Männer – oder seid Ihr
Schranzen der feilen Glücksgöttin? Könnt Ihr
Nur buhlen um die Lächelnde und schreckt
Vor ihrem ersten Stirnrunzeln zurück? –
Der Starke zwingt das Weib, daß, Sklave seines Willens,
Das will'ge Lächeln ihr zurückekehrt.
Am Ende nicht, am Anfang stehen wir
Von unsrer Kraft und unserm Unternehmen.
Dreifaches Heer bedroht uns – mehr als das
Der Pulvermangel. Er zwingt uns zum Abzug.
– So führ ich durchs Gebirge Euch zurück
Und bring Euch wohlbehalten hintern Feind.
Weh dem, der sich in meinen Rückzug wirft!
Des Heeres Rettung ist des Feldherrn Pflicht.
Entwölket Eure Stirn und greift nicht ein
In des Franziskus Sorg' und Amt. Wenn dann
Der Feind umgangen ist, entlasse ich
Für dieses Jahr des Heeres größern Teil –
FÜRSTENBERG schnell einfallend.
Das Heer entlassen, wahrend jene drei
Gerüstet dir in Waffen gegenstehn?
FRANZ.
Kann ich solch Heer in meinen Burgen wintern?
Soll ich's in meiner Freunde Festen legen,
Ihr Gut verschlingen noch vor dem Beginn
Des großen Kampfs? – Zudem, es hat nicht Not
Für dieses Jahr. Der Winter bricht herein[139]
Nie werden sie zu solcher Frist es wagen,
Der Ebernburg zu nahn. Doch eh' ich sie
Entlasse, nehm die Hauptleut' ich in Pflicht,
Beim ersten Strahl der nächsten Frühlingssonne
Gesammelt und durch Werbungen verstärkt
Die Fähnlein alle mir zurückzuführen.
FÜRSTENBERG.
Der Pfalzgraf aber, was gedenkst du ihm –
FRANZ.
Zwölf Edelknaben sollen ihm die Pflicht
Aufkündigen, an ihrer Schwerter Spitze
Den Fehdebrief des Sickingen ihm reichen.
Zu Ulrich.
Du, Ulrich, sollst zur großen Zürich ziehn,
Wo mir der Eidgenossen mächt'ges Volk
Zuzug seit lang versprach, wenn einst es gelte.
Jetzt ist es Zeit! Betreibe dort, wo man
Dich ehrt und liebt, die zugesagte Hülfe,
Der tapfern Männer axtbewehrte Reihn
Führ du nach Deutschland meinen Burgen zu.
Zu den Rittern.
Euch aber setz ich einen Tag in Schweinfurt aus,
Dorten erscheint mit Euren Sippen, Schwähern;
Den ganzen Adel will ich hin entbieten
Zu dem Konvent. Jetzt gilt es, wahrzumachen,
Was Ihr in Landau mir geschworen habt.
Des Bunds Genossen alle sollen rüsten,
Es waffne sich die ganze Ritterschaft!
ALLE.
Vertrau auf uns wie auf dein eigen Selbst!
FRANZ.
Nur eine Probe war der Waffenzug;
Die ernste Ausführung dem nächsten Jahr!
Geöffnet liegen unsrer Feinde Karten,
Klar scheidet Freund und Feind sich. Alles ist
Gewonnen, bleibt der alte Mut Euch treu.
Jetzt erst entfalten wir die volle Kraft,
Der Winter diene Euch zur Werbefrist
Und allen zum Signal die neue Sonne.
Der erste Hauch des neuen Frühlings soll
Von Winters Eis und von des Landes Fesseln
Zugleich befrein des deutschen Volkes Erde;
– Ein neues Deutschland bringt das neue Jahr!
ALLE.
Zum neuen Jahr das alte Glück mit dir!
Während alle abgehen, fällt der Vorhang.
Ende des vierten Aktes.
Ausgewählte Ausgaben von
Franz von Sickingen
|
Buchempfehlung
Im Kampf um die Macht in Rom ist jedes Mittel recht: Intrige, Betrug und Inzest. Schließlich läßt Nero seine Mutter Agrippina erschlagen und ihren zuckenden Körper mit Messern durchbohren. Neben Epicharis ist Agrippina das zweite Nero-Drama Daniel Casper von Lohensteins.
142 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro