Neunter Auftritt

[131] Franz mit Gefolge. Später Fürstenberg, Eitelfritz, Frowin und andere Hauptleute und Obersten und Ritter.


FRANZ.

Hieher beruft die Feldherrn! Ruhen soll

Der atemlose Angriff, der bereits

Die ganze Nacht durch an den Mauern tobt.


Einige aus dem Gefolge ab; er gewahrt Hutten.


O Ulrich, du!


Er umarmt ihn.


Ich war besorgt um dich,

Als uns die Menschenwelle auseinanderwarf,

Furchtbar auf ihrem blut'gen Arm dich schaukelnd.

Du siehst, der grimme Pfaffe hält sich gut,

Will nicht zu billig sein Barett verkaufen.


Die Ritter und Hauptleute treten auf.


Gruß Euch, Ihr Herrn! Schließt einen Kreis um mich.

Des Morgens blasses Licht erhebt sich schon,

Und Ruh' bedarf das ganz erschöpfte Heer,

Das ohne Pause jetzt acht Stunden lang,

Sich und den Feind in Lachen Bluts ertränkend,

Im Sturmlauf anrast an die Maur'n der Stadt.

Drum riß ich Euch von Eurer Schnitterarbeit

Hinweg, hier Rats zu pflegen, ob wir gleich,

Nach Atemzügen unsrer Rast gegönnt,

Das blut'ge Spiel erneun – ob wir's verschieben,

Bis die Geschütze leichtern Weg gebahnt.

Ihr Edlen und Ihr Hauptleut' dieses Heers,

Sagt Eure Meinung, wie's dem Führer ziemt.

EITELFRITZ die rechte Hand verwundet in einer Binde, das Schwert in der Linken.

Ich bin für Sturm! – 'ne Schande wär's für uns,

Wenn wir nicht diese Nacht in Trier schlafen.

FÜRSTENBERG.

Gemach, Herr Graf! Euch reißt der Zorn dahin.

Nur kalter Blick paßt in des Feldherrn Rat.

Zu frühe kam der Sturm; zu fest ist noch

– Wir haben es erprobt – die trotz'ge Mauer,

Wir opfern nutzlos unser Heer dahin.

Es kann die Stadt uns nimmermehr entgehn,

Doch muß erst der Geschütze feurig Werben

Sie milder machen, muß in ihrem Herzen

Erst Öffnung uns für unsern Sturm bereiten.[132]

FROWIN VON HUTTEN.

So mein auch ich. Verloren ist die Stadt.

Doch nur, wenn wir nach der Belagrungskunst

Üblicher Form und Regel unserm Angriff

Die Wege bahnen.

EITELFRITZ.

Wege bahnt das Schwert

Dem, der's zu schwingen weiß.

HAUPTMANN JÖRG vortretend, zu Franz gewendet.

Verlaubt, Herr Ritter,

Wenn ich in Eures Heers, der Hauptleute

Gesammtem Namen jetzt das Wort ergreife.

Ihr kennt mich, Herr! Ich schlug des Reiches Schlachten,

In Welschland lagert' ich mit Kaiser Max,

Ich stand –

FRANZ.

Wir alle kennen dich, mein wackrer Jörg;

Du bist der Büchsenmeister dieses Heers,

Und seit ich kriege, sah ich keinen bessern.

JÖRG.

Nun wohl, so hört mich an!

So lange wir nicht Bresche in die Mauern

Der Stadt geschossen, schmettert Ihr vergeblich

Des Heeres Leiber an dies Bollwerk an.

Zu stark ist es, zu zahlreich die Besatzung,

Zu gut geführt! Man überwände wohl

Zwei dieser drei, nicht alle drei geeint.

Unmöglich ist's! – Jedoch wenn Ihr, Herr Ritter,

Folgt meinem Rate, so verpflicht ich mich,

Eh' noch acht Tage enden ihren Lauf,

All mein Geschütz auf wen'ge Punkte richtend,

Der Breschen zweie in die Stadt zu legen,

Am Nord- und Westtor, und dann – drauf und Sturm!

Dann fällt sie ohne Gnade rettungslos

In Euren heißen Siegerarm,

EIN LANZKNECHT tritt auf.

Mein Feldherr!

Soeben flog, wo ich mit dreien andern

Längs der Bastei auf Posten stand, ein Pfeil,

Von innerhalb der Mauer abgeschossen,

Uns vor die Füße, und am Pfeil befestigt

Sahn wir 'nen Zettel, der die Aufschrift trägt:

An den großmächt'gen Ritter Franz.

FRANZ.

Mach los

Den Pfeil und lies den Zettel, Jörg.

JÖRG liest.

»Gestrenger Herr Ritter! Es ist ein Freund,[133] der Euch schreibt, und wenn er nicht Euer Freund ist, so will er Euer Feind sein, was, Gott steh mir bei, gerade soviel heißt, als ein Feind von sich selber und jedem ehrlichen Christenmenschen und ein Freund dieser dickbäuchigen, geldgierigen, menschenschinderischen Pfaffen, die er geradeso liebt, wie Eure Kugeln sie lieben, wenn sie ihnen vor Zuneigung vorn in den Leib und vor Abneigung wieder hinten hinausfahren, ein prächtiges Schauspiel, von dem er es nie vergessen wird, daß Ihr es ihm, Gott lohn' es Euch, heute einigemal verschafft habt. Wenn Ihr in die Stadt kommt und Ihr haltet ihn Eurer Gnade für würdig, so bittet er sich's aus, an den Glatzen, die Ihr zum Hängen verurteilt, es vollstrecken zu dürfen und es denen zu erwirken, die Ihr etwa laufen zu lassen gedenkt. Also zur Sache. Ihr habt Freunde in der Stadt, und Leute, die von gutem Willen sind. Aber noch ist's zu früh; Ihr müßt Eure Ungeduld bezwingen und noch fein gemach liegen. Denn die Besatzung ist noch zu vollzählig, und die Pfäffischen machen noch ein zu groß Geschrei. Die Bürger aber haben noch den rechten Mut nicht. Wenn Ihr ihnen jedoch noch acht Tage die Häuser einschießt, so werdet Ihr's zum fröhlichen Ende führen. Also faßt Euch in Geduld, Herr Ritter, denn jede Kugel, die bei uns einschlägt, schafft Euch einen Feind weg und schafft Euch einen Freund mehr. Ihr hört weiter von mir, und wegen eines Pförtleins bin ich auch schon in Unterhandlung. Wenn eine Woche um ist, sollt Ihr mich in Trier in Person kennenlernen, und vergeßt dann meine Gnade nicht!

Ein Freund von Franziskus.«


Allgemeine Heiterkeit unter den Anwesenden.


JÖRG.

Ein beredtsamer Brief.

EITELFRITZ.

Ein dienstfertiger Schuft!

FRANZ.

Ist die Verschiebung Euer aller Ansicht?

ALLE.

Jawohl, sie ist's!

FRANZ.

So mit wie ohne Brief

– Denn auch 'ne List des Feindes könnt' er sein –

Ist's auch die meinige. Drum führt zurück

In seine alten Stellungen das Heer,

Und mit vermehrter Kraft erneuen wir

Das mörderische Grüßen der Geschütze.

JÖRG.

Ja, Herr! Doch schon zum dritten Male muß

Ich Euch gemahnen, daß das Pulver knappt.[134]

Seit mehren Tagen schon verspracht Ihr mir

Die Ankunft neuer Fässer, die von Landstuhl

Ihr habt beordert. Dringlich nötig wird's;

Nur noch auf Tage reicht der Vorrat aus.

FRANZ.

Laß gut sein, Jörg. Weiß nicht, wo der Transport

Sich so verspätet. Doch langt er wohl sicher

Heut an. Inzwischen spar das Pulver nicht.


Quelle:
Ferdinand Lassalle: Franz von Sickingen. Stuttgart 1974, S. 131-135.
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Franz von Sickingen
Franz von Sickingen; a tragedy in five acts (1910)
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