Vierte Szene.


[242] Gräfin. Die Vorigen. Später Bleistift, dann der Herzog, zuletzt Laura und Hauptmann.


GRÄFIN. Welch ein Lärm! Die Herrschaften kommen! Hinauf aufs Theater, es soll den Augenblick beginnen –!

GENERALIN. Hilf, Franzel! Befiehl, daß die Schergen wenigstens hier das Feld räumen.

KOCH. Gnädigste Frau!

SCHILLER. Erlauchte Frau Gräfin, Sie waren uns stets ein tröstender Schutzengel, und in der Seele einer edlen Frau wohnt immerdar das Wohlwollen, ja die Liebe für poetische Zukunft, auch wenn diese ungestüm und fehlerhaft sich ankündigt.

GRÄFIN. Verschone Er mich in Zukunft mit solchen Phrasen; ich bin nicht geneigt, Exzesse zu beschützen. – Der Herzog wartet auf den Anfang des Schauspiels, jede Minute Verzögerung wird die Lage des Angeklagten verschlimmern. Tritt dabei in den Vordergrund links.

SCHILLER halblaut. Welch ein Ton! Welch eine Verwandlung! Anton, Freund, das ist das Schlimmste! – Langsam und leise. Wenn solch eine Frauenseele keinen Anteil mehr fühlt, dann verdienen wir auch keinen, dann haben wir alle mich überschätzt, und meine traurigsten Ahnungen werden grinsende Wahrheit – Anton, ich bin dann kein Dichter, und – Ganz leise. mir geschieht ganz recht, daß ich zerschmettert werde! Ganz recht! Hand in Hand mit Koch wendet er sich nach hinten und steigt rechts hinauf.


Pause.


GENERALIN. Du wirst es einst bitter bereuen, Franzel, diesen Mann in seiner schwersten Stunde verlassen und verstoßen zu haben. Greif' an dein Herz und zieh' den Beweggrund ans Licht, welcher dich leitet!

GRÄFIN. Bäbele –![242]

BLEISTIFT von links eintretend. Zweiter Akt ist erster Akt! befiehlt Durchlaucht Sire! Die Damen ansehend und den Kopf schüttelnd, steigt links hinauf. Das sind nicht die richtigen Komödianten. Oben zur Mitteltüre hereinrufend:. Sire Durchlaucht befiehlt, daß mit dem zweiten Akte angefangen werde und auf der Stelle angefangen! – Es klingelt hinten auf dem Theater. Bon!

HERZOG von links eintretend. Anfangen! Er ist in roter Uniform mit großem Ordensbande.

BLEISTIFT oben. Service, Sire! Zweiter Akt der erste.

HERZOG. Du hast nicht gehört, Franzel, daß einer der Russen meinte, die ersten Akte seien immer langweilig, man müßte stets mit dem zweiten anfangen. Nun, ein guter Wirt sorgt dafür, daß seine Gäste nicht umsonst geistreich sind – was sagst du dazu, Franzel, du siehst ja stockernsthaft aus.

GRÄFIN. Die jungen Leute werden nun schlecht spielen.

HERZOG. Das will ich nicht hoffen, sie sollen mir Ehre machen – was ist dir denn, Franzel?

GRÄFIN. Ich bin unzufrieden mit mir selbst.

HERZOG. Sei gescheit! Tafel und Arrangement waren ja magnifik – jetzt zum Kaffee noch eine halbe Stunde Schauspiel – dann Schlummer, gegen Mittag Parade – gegen Abend hab' ich meine sechstausend Hirsche am See – dann Feuerwerk und Illumination auf der Solitude, die sollen Respekt kriegen vor dem Herzoge in Schwaben, nicht wahr, alter Brummbär? Zu Rieger.

RIEGER. Hoffart treibt zu allen Sünden, und wer darin steckt, der richtet viel Greuel an.

HERZOG. Ist Er verrückt, Betbruder – und was hat Er da für einen Aufzug hinter sich?

RIEGER. Es ist die Frucht Eurer Befehle, Herr! Dort die gedruckten Frevel des frechen Schreibers, hier die geschriebenen.

HERZOG. Salbader ohne Schick! Er verlernt doch alle Lebensart über Seiner Litanei! Läßt Staub und Motten hierher schleppen, wo jeden Augenblick ein Gast eintreten kann. Zu den Soldaten. Marsch hinaus! Die Soldaten rechts wieder ab.

GENERALIN zu Rieger. Das ist dir gesund!

RIEGER. Weltlicher Herr! –

HERZOG. Nicht räsonniert. Ich will Ihm den Spaß vertreiben, auch mir mit Seiner geistlichen Hoffart entgegenzutreten. Sie ist[243] mir nicht minder zuwider, als jede andere, ja sie ist eigentlich die hoffärtigste von allen, weiß Er das?

RIEGER. Solcher Dünkel hat viele betrogen, und ihre Vermessenheit hat sie gestürzt.

HERZOG. Potz Element –

GENERALIN. Er hat bei der Tafel zuviel Wein getrunken, Durchlaucht.

GRÄFIN. Schick' ihn fort!

RIEGER. Höre niemand auf Weiber! Denn gleichwie aus den Kleidern Motten kommen, also kommt von Weibern viel Böses!

HERZOG lachend. Da habt ihr's, der ist im Zuge. Das Theaterspiel ist doch eine Sache des Teufels, Rieger?

RIEGER. – Das nackte Spiel der Eitelkeit ist des Bösen Freude.

HERZOG. Richtig, die soll Er genießen, komm' Er mit!

RIEGER. Mein Inneres empört sich –

HERZOG. Was geht mich sein Inneres an! Sein Äußeres soll mit in die Komödie – Der Gräfin den Arm gebend. Bleistift, die Papiere an den Hauptmann, der soll sie auf meinen Nachttisch legen – Vorwärts marsch! Rieger unwillig langsam voraus.

BLEISTIFT. Service, Sire. Nimmt noch vor der Tür links aus Riegers Hand die Papiere.


Laura und Hauptmann treten im Gespräch miteinander ein von links. Hinter ihnen Rieger hinaus.


HERZOG zu Laura. Zur Toilette, Mäuschen, 's hat angefangen!

LAURA. – Ich komme erst im nächsten Akte.

HERZOG. Das ist schade – du bist doch eingedenk und bist gut?!

LAURA. Ich hoffe, Onkel Durchlaucht!


Währenddessen übergibt Bleistift das Manuskript Silberkalb.

Herzog, Gräfin, Bleistift links ab, Hauptmann begleitet sie unter Verbeugung. Laura geht links in den Vordergrund.


GENERALIN rechts zu den Soldaten hinaus. In die Demoisellenschule mit euren Paketen! – Rasch zurückkommend zu Laura. Rieger mit seinen Räubern ist beseitigt – des Dichters Schicksal liegt in deiner Hand! Rette den Mantel und die Papiere, welche der Hauptmann in der Hand hält – Ab links, als der Hauptmann wieder eintritt.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 242-244.
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