[287] Gräfin mit dem Manuskript in der Hand erscheint links an der Tür. Schiller. Generalin. Laura.
GRÄFIN in der Tür. Das tut er, wenn er ein ganz gewöhnlicher Mensch ist, nicht aber, wenn er berufen ist, einem großen Volke Dichter und Prophet zu wenden. Wer unter Millionen allein auserwählt wird zu solcher einsamen Größe –
SCHILLER enthusiastisch während dieser Rede auf sie blickend und enthusiastisch ausbrechend. Der muß die Kraft in sich tragen, in schauerlicher Einsamkeit durch sein Leben dahinzuwandeln und ohne Zucken seinen Blick abzuwenden vom Reize des heimischen Herdes, vom Zauber des geliebten Weibes. Das ganze Volk sei ihm die Heimat, die ganze Menschheit seine Liebe! Zu ihr eilend und das Manuskript aus ihrer Hand nehmend. Ich dank' Euch für die Mahnung, hohe Frau, ich will ihr folgen, ob auch mein Herz bricht, will scheiden aus der Heimat, von der Liebe – auf Nimmerwiedersehn! Er stürzt zu Laura und schließt sie in seine Arme.
GENERALIN. Mein Sohn
LAURA. Mein Schiller!
GRÄFIN. Also sei's!
SCHILLER Laura auf die Stirn küssend. Dieser erste und letzte Kuß sei alles, was mir die Liebe gewährt. Der einzig glückliche Augenblick meines Lebens ist der traurigste – ein Lebewohl für immerdar.
LAURA weinend. Und doch bringt er ein ganzes Leben für diejenige, die – deiner bis zum Tod gedenken wird – in Lieb' und Treue.
Es wird in der Halle ganz dunkel, im Hintergrunde Abendrot.[287]
SCHILLER in höchster Weichheit. Die mein gedenken wird, auch wenn wir alle uns getäuscht in mir, auch wenn ich unbekannt und wertlos bleibe in der Dichterwelt –?
LAURA. Auch dann! – Ich liebe dich, wer du auch seist, was du auch werdest!
SCHILLER. So ist es eine Seligkeit – zu weinen!
Schon bei den Worten »was du auch werdest« rechts hinten aus großer Entfernung Jagdhörnerruf, der in kurzen Zwischenräumen näherkommend, sich wiederholt.
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