Zweite Szene.


[61] Frau Gottsched. Dann Graf Bolza, später Cato; zuletzt Schladritz.


FRAU GOTTSCHED mit dem Gesicht nach dem Publikum, schrickt zusammen, als ihr Gottsched die letzten Worte zuruft. Widerwärtige Qual! Ich mag ihn jetzt nicht sehen! Sie wendet sich rasch links hinüber nach dem Zimmer Gottscheds; als sie es fast erreicht, tritt Bolza aus seinem Zimmer.

BOLZA. Meine verehrte Frau Professorin –

FRAU GOTTSCHED. Dort in meinem Zimmer finden Sie die ersehnten Damen.

BOLZA. O meine gnädige Freundin, was kümmern mich jene Damen, die ich nicht kenne, während ich –

FRAU GOTTSCHED schnell. Kümmern Sie nicht! Die Sie nicht kennen! Wieviel Unwahrheiten verbrauchen Sie, Herr Graf, an einem Vormittage! Einer unbescholtenen Frau heucheln Sie um elf Uhr leidenschaftliche Neigung und beunruhigen ein friedliche Herz, bedrohen den Frieden eines Hauses, zu welchem Ende? Damit Sie um zwölf Uhr in diesem Hause eingebürgert sind zum Empfange – nicht doch! nicht doch! ich spreche Unwürdiges. Sie eilt wieder nach vorn. Mein Gott! wohin treibt mich die Aufregung! Ich setze voraus, ich klage an, was ich nicht soll, was ich nicht will! Fasse dich, verletzte Eitelkeit, fasse dich schnell!

BOLZA für sich. Sie scheint eifersüchtig zu sein! Ein vortrefflich Zeichen! Laut. Ich verstehe Sie nicht und empfinde nur eine schmerzliche Freude darüber, daß Sie mich einer scheltenden Anrede würdigen.

FRAU GOTTSCHED. Empfinden Sie Freude, daß man Wert auf Sie legt, wirklich?! – – Nein, nein! Entschuldigen Sie mich, Herr Graf, ich habe eine schreckliche Migräne und spreche ohne Sinn und Zusammenhang. Ein Drama, welches ich zu bearbeiten angefangen, tobt mir im Kopfe umher, und ich verwechsle die erdichtete Welt mit der wirklichen. Gezwungen lächelnd. Richtig, richtig! Sie sind ja Graf Balthasar! Diese Namensänderung wird mich in die Romanwelt gesteigert haben. Was mag ich Ihnen für konfuses Zeug vorgesprochen haben! Begrüßen Sie dort Auf ihr Zimmer zeigend. die Damen; ich hoffe – bald bei Ihnen zu sein! Sie geht wieder auf Gottscheds Zimmer zu und bleibt an der Tür stehen.

BOLZA unbeweglich und aufmerksam auf sie blickend bis daher, tritt um[62] einen Schritt auf sie zu. Und kann ich Ihnen nicht helfen, meine verehrte Frau?

FRAU GOTTSCHED mit ablehnender Handbewegung und mit Stolz. Das können Sie nicht! – Sind Sie denn ein Arzt? Gehen Sie ungestört Ihren Weg! Sie tritt in Gottscheds Zimmer.


Kurze Pause.

Während ihr Bolza erstaunt nachsieht, öffnet Schladritz hinten beide Flügel der Tür, als wollte er Gottsched mit den Damen einlassen. Man sieht Gottsched, Frau und Fräulein von Manteuffel führend, außen vorübergehn.


GOTTSCHED im Vorübergehen rufend. Dort hindurch, meine Damen!


Verschwindet hinten nach der rechten Seite.


BOLZA Wilhelminen meinend, welche auf der Seite des Publikums und nach dem Zimmer blickend vorübergegangen ist. Dies ist ein schönes Mädchen! Nach Gottscheds Zimmer blickend. Dies ist eine interessante Frau! Geht ab nach rechts in das Zimmer der Frau Gottsched.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 61-63.
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