Vierte Szene.


[115] Sylva. Die Vorigen.


SYLVA eilt der Königin leidenschaftlich in die Arme. Arme, arme Frau!

CHRISTINE.

Oh!


Liebkost sie, ihr die Arme streichelnd.


Ich bin nicht arm, Sylva!

Bleiben mir nicht Herzen wie das deine?


Da sie ihr die Hand auf den Busen legen will, greift Sylva hastig nach Christinens Hand und entfernt sie.


SYLVA. Laßt! O laßt mich!

CHRISTINE winkt Santinelli und Matrosen, welche die Decken und Kopfkissen bereiten.

Leg' dich, Kind! Du bist krank!

Hier neben mich breitet die Decken!

SYLVA. Nein, nein! Nicht hier! Nicht hier – weiter aufwärts!


Sie legt sich abgewandten Gesichtes in einiger Entfernung hinter dem Sitze der Königin und hält die Hände über Hals und Busen.


CHRISTINE sieht ihr kopfschüttelnd zu, wendet dann das Gesicht nach dem Meere hinaus und versinkt in Gedanken. Pause.

Euer Vetter, Brahe, Graf Malström ist mit uns?

BRAHE.

Er ist mit uns.

CHRISTINE.

Das freut mich; seine grade Seele

Ist tröstlich wie ein Kompaß.

BRAHE.

Königin!

Nicht weil er unsern Weg für richtig hielte,

Weil er mein Kind liebt, stieg er mit an Bord –

Weil er Euch warnen will, weil er – verzeiht –

Euch nöt'gen will, als protestant'sche Königin

Nach Schweden heimzukehren. Denn Ihr wißt,

Welch ein Gerücht uns eilen hieß am Strande!

Abschwören, hieß es, will die Königin

Des Vaters Glauben; nimmermehr! schrie alles,

Man soll die Schmach sich nicht erfüllen lassen.

Sie darf nicht unter Segel; sie soll bleiben –[115]

CHRISTINE.

Die Krone opfern und die Freiheit nicht gewinnen!

Ja, das gefiele dem Haufen!

Unbillig ist die Menge immerdar,

Im Schoß der Bildung nur wohnt Billigkeit –

Ich atme auf, daß ich des Richterspruches

Zudringlicher Menge endlich ledig bin –

BRAHE.

Das sind wir nirgends; das ist niemand,

Solang' er noch mit einem Menschen redet;

Den Eremiten selber richtet die Gesellschaft,

CHRISTINE.

Doch gibt es noch ein höher Tribunal,

Das ist ein Glaube, der sich selber bindet,

Der sich dem Aburteil der Welt verschließt.

BRAHE.

Und gegen dessen Despotie dein Vater starb.

CHRISTINE.

Ein jeder stirbt für das, was ihm notwendig,

Und eigene Notwendigkeit treibt jeden,

Der eigen ist und eigen denkt und fühlt –

BRAHE.

Du urteilst protestantisch für den Papst.

CHRISTINE.

Führt protestantisch Urteil mich nach Rom,

So ist's mein Weg, den ich zu wandeln habe.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 115-116.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Monaldeschi
Monaldeschi: Tragödie in Fünf Acten Und Einem Vorspiele (German Edition)

Buchempfehlung

Brachvogel, Albert Emil

Narziß. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Narziß. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Albert Brachvogel zeichnet in seinem Trauerspiel den Weg des schönen Sohnes des Flussgottes nach, der von beiden Geschlechtern umworben und begehrt wird, doch in seiner Selbstliebe allein seinem Spiegelbild verfällt.

68 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon