Siebente Szene.


[133] Brahe. – Malström. – Die Vorigen.


CHRISTINE.

Seid mir gegrüßt! – Ich hab' Euch herberufen,

Um Recht zu sprechen über ein Verbrechen.

Es ist so klar und einfach dies Verbrechen,

Daß Ihr es stehnden Fußes richten würdet;

Da es jedoch ein Menschenleben gilt,

Wenn auch ein schwer verworfenes, so sei

Die Prozedur in guter Form begonnen.

Nehmt Platz, Ihr Herrn!


Nachdem sich Christine gesetzt, setzen sich alle.


Ihr seid mir nachgefolgt in treuer Liebe

Für mich und unser Königshaus,

Ihr werdet nicht gestatten, daß der Würde,

Die unveräußerlich mir angeerbt,

Ein Leid geschehe, oder gar ein Frevel.

Ihr wißt, daß ich mit Schwedens Krone

Das königliche Recht nicht niederlegte;

Ich hab' mir dies ausdrücklich vorbehalten

Für meine Lebenszeit, für jeden Ort. –[133]

Mein Diener, der Marchese Monaldeschi,

Hat, wie sich jetzt beweislich dargestellt,

Seit Jahren meinen Dienst und mich verraten –

Ihr kennt das Attentat auf offner See,

Ihr wißt, wie ich es großmutsvoll vergeben,

Umsonst! Er hat seitdem ununterbrochen

Mit Schweden unterhandelt zu dem Zwecke,

Mich auszuliefern, mich zurückzubringen,

Sei es mit List, sei's mit Gewalt!

Ein neuer Plan kommt eben mir zu Handen,

Ein Plan bis in das Kleinste ausgerechnet,

Und mit dem Premierminister Frankreichs,

Mit Mazarin verbrieft und abgeschlossen,

Mich hier aus Frankreich heimlich fortzuschleppen,

Und morgen, heute, wenn es tunlich ist!

Wie beißt nach Eurem Rechtssinn solcher Frevel?

SCHNURE.

's ist Hochverrat!

BRAHE.

's ist schnödes Attentat!

CHRISTINE.

Wie heißt die Strafe?

SCHNURE.

Tod!

CHRISTINE.

Nun, Brahe? Malström?

BRAHE.

Ich glaube auch, daß schwedisches Gericht

Auf Tod entschiede –

CHRISTINE.

Lest die Briefe!


Sie reicht sie ihnen und steht auf. Die drei stehen ebenfalls auf, teilen sich in die Briefe und tauschen sie gegenseitig aus – Christine geht umher, mitunter stehen bleibend und scharf auf Brahe blickend.


CHRISTINE. Nun?

SCHNUR. Unzweifelhaft!

BRAHE. Der Frevel liegt zutage.

CHRISTINE setzt sich – nach ihr die andern.

So sprecht sein Urteil!

SCHNURE.

Tod!

BRAHE.

Erlauchte Königin!

Wir sind ja kein Gerichtshof, um zu urteln,

Und sind in fremdem Lande nur als Gäste –

CHRISTINE.

Was? Seid Ihr nicht mein Rat, wo ich auch sei?

Und bin ich nicht ein königliches Haupt,[134]

Wo ich auch sei?

MALSTRÖM.

Das bist du, Herrin; doch

Du bist nicht königlicher Richter mehr,

Seit du das Sinnbild königlichen Rechtes,

Die Krone und den Zepter hingelegt,

Seit du den Boden hinter dir gelassen,

Aus dem dein königliches Recht entsprossen –

Nur einer richtet über Leben und Tod,

Nur einer in jedem Lande ist König!

CHRISTINE springt auf – die andern erheben sich ebenfalls.

Was hör' ich?

MALSTRÖM.

Königin, du hörst dasselbe,

Was du vor deiner Thronentsagung hörtest,

Und was du dort wie hier nicht hören wolltest.

CHRISTINE.

Sind meine Sinne irr'? Versteh' ich falsch?

Graf Brahe!

BRAHE.

Königin, ich denk' dasselbe.

CHRISTINE.

Es ist entsetzlich, und Ihr seid Verräter!

Und dieser Mann allein


Auf Schnure zeigend.


ist treu und brav!

BRAHE UND MALSTRÖM.

Das sind wir nicht.

CHRISTINE.

So schreiend ist der Frevel,

Und Ihr seid nichts dafür als Splitterrichter?


Zu Brahe.


Du grauer Diener meines Vaters, der

Sich rühmt, mich wie ein Kind von Gustav Adolf

Geerbt zu haben für Schutz und Liebe!

Du läßt mich beleidigen,

Läßt mich verhöhnen,

Und du hast nichts dagegen

Als Achselzucken?

Es fehlt nur, daß mich ein Bösewicht

Mit frecher Hand auf die Schulter schlüge.

O, Graf Brahe spräche gewiß:

Ei das ist schlimm! Ei das ist schlimm!

Allein es ist die Schulter nur,

Er hat sie nicht ins Angesicht geschlagen!

BRAHE.

Du tust mir weh und unrecht, Königin.

CHRISTINE.

Ich tu' dir recht!

Meines Vaters Kind und die Königin[135]

Sind verhöhnt und verraten!

Eine gekrönte Königin von Schweden!

Und ein schwedischer Brahe,

Einer aus dem Geschlechte,

Das nach den Wasas zunächst dem Throne

Gestanden von uralten Zeiten,

Er steht dabei und stottert und stammelt,

Und weiß nicht zu strafen!

BRAHE.

Das Maß ist voll; es soll nicht überfließen.

Solche Worte scheiden für immer.

Maß halten, vereinen – das war der Sinn,

Dem ich ein langes Leben gewidmet;

Um gerecht zu sein, war ich öfters verzagt –

Hier aber weiß ich genau, wo die Grenzen sind

Zwischen dir und dem Fremden,

Zwischen Wasa und Brahe,

Und ich werd' sie dir zeigen.

Höre mich reden, Königin Christine!

Du hörst mich vielleicht nicht wieder.


Kurze Pause.


Daß es so kommen würde in wüster Fremde,

Wir haben dir's tausendfach gesagt,

Da es noch Zeit war auszuweichen;

Wir haben gewarnt, gebeten, gefleht,

Wir haben dir vorgemalt,

Daß dein Leben abenteuerlich sei,

Wie ein Abenteuer verlaufen werde –

Es war umsonst!

Just abenteuerlich wolltest du's haben –

Unser Rat war in den Wind gesprochen!

Trotzdem verließen wir unsern Herd,

Und folgten dir – aus uneigennütziger Sorge

Für dein Gedeihn; keine Lehenspflicht,

Kein Königsrecht verpflichtete uns,

Und selbst keine Neigung zog uns.

Von Land zu Lande folgten wir dir;

Du tatest nur, was uns zuwider,

Verspottetest unsere heimischen Sitten,[136]

Schworst ab einen Glauben, den wir verehren,

Gönntest nirgends Ruhe und Statt –

Von Land zu Lande folgten wir dir,

Und ich alter Mann tat desgleichen;

Es fraß mich der Schmerz wohl Tag und Nacht,

Ich schwieg und war dir zu willen.

Was heischest du jetzt? Ein Königsrecht,

Das du selbst zu Stockholm in dem Maße

Als Königin nicht besessen,

Du heischest es in fremdem Lande,

Das dir nicht günstig gesinnt ist,

Du heischest es, als wenn du nimmer

Der Krone dich entäußert,

Und von uns just, welche die Krone

Dir halten wollten,

Und deinetwegen nicht halten konnten,

Von uns just heischest du Rechte der Krone,

Die über die Krone hinausgehn,

Mit Ungestüm und mit Gewalt –

Das sprengt den längsten Faden von Geduld,

Und hier ist die Grenze,

Daß Brahe ging mit Christinen!

CHRISTINE.

Sieh, alter Graf, welch trefflich Gedächtnis

Du hast für Vorwurf und Übel,

Und nur für das Rechte versagt es dir!

Wart ihr nicht alle zugegen in Upsala,

Da ich die Krone niederlegte?

Mich dünkt, ich sah euch alle,

Dich Graf Peter Brahe gewiß!

Wie hieß der Schluß von meiner Abdankung?

Schüttle doch dein Gedächtnis, Graf Brahe!

Es hieß, horch auf!

»Ich muß tun und lassen können, was mir beliebt,

Und nur dem allmächtigen Gott muß ich

Rechenschaft schuldig sein –

Alle Gerichtsbarkeit muß ich behalten

Über die Tischgenossen und über die Leute

Meines Hauses.«[137]

Hieß es nicht so? Versteht ihr das?

Wer widerspricht?


Pause.


MALSTRÖM. Ja, Königin, so hieß es.

CHRISTINE. Nun endlich kommt Euch der Sinn!

MALSTRÖM.

Und dennoch widersprech' ich,

Und dennoch sprech' ich gegen die Macht,

Die du in Anspruch nimmst –

CHRISTINE.

Verwegener Graf, ich will sie dich fühlen lassen,

Dich selbst – wer hindert mich?

MALSTRÖM.

Gesetz und Sitte – und, wenn diese schweigen

Mein gutes Schwert.

CHRISTINE.

Du brichst in offene Empörung aus!

MALSTRÖM.

Die gibt's nur gegen einen Landesherrn,

Doch du bist länderlos und bist vor Recht

Privatperson, die Königin gewesen,

Die Königin genannt wird – ich und Brahe

Sind deine Diener nicht, sind freie Grafen

Des schwedischen Reichsrates – wenn wir fehlen,

So richtet uns der Reichsrat von Upsala.

Selbst unser König tut es nicht allein;

Und ähnlich ist der Fall, um den sich's handelt

Mit dem Marchese Monaldeschi.

CHRISTINE.

Was?

MALSTRÖM.

Beiseite bleibe jene Schlußbedingung,

Die uns dein Mund soeben wiederholt:

Sie ist ein mißlich Recht in jedem Falle,

Und ist nur Recht, wenn du in Schweden bist.

Kein fremdes Reich hat sie dir anerkannt,

Kein Reich der Christenheit kann sie gestatten;

Das Richtschwert kann nicht wandern nach Belieben,

Und kann nicht fallen, wo es ihm beliebt.

Ja selbst in Schweden kann dir solch ein Recht

Nicht ohne Aufsicht zugestanden werden,

Selbst um den Preis von Schwedens Krone nicht.

Der König und der Reichsrat müßten immer

Erst da bestätigen, wo du gerichtet;

Zwei oberste Gewalten gleich an Macht[138]

Kann es nicht geben in der Monarchie –

Und hier willst du, die Königin von Schweden,

Als Hochverrat bestrafen, was der König

Von Schweden selbst befohlen und geteilt!

Doch alles dies, was mir unfraglich scheint,

Erwähn' ich nur beiher – es ist der Fall

Mit Monaldeschi noch viel schwieriger,

Denn der Marchese Monaldeschi ist

Der Sohn von einem schwed'schen Reichsratsgrafen,

Und unser Reichsrat nur ist sein Gericht.

CHRISTINE.

Was? Welche Possen!

BRAHE UND SCHNURE.

Was ist das?

MALSTRÖM.

Ihr wißt,

Graf Brahe, wie ich ihn verfolgt, bis wir

Zu Schiffe gingen; auf der Überfahrt

Entdeckt' er mir, was er vor jedermann

Aus Eigensinn verschwiegen: ausgerüstet

Ist er mit allen Dokumenten der Geburt,

Doch weil er Kind der Liebe, weil er trotzig

Allein und ohne Erbanspruch sein Leben

Sich bilden wollte, schwieg er allerwärts –

Er ist ein Sohn des wilden Grafen Sture.

CHRISTINE.

Gerechter Gott!

BRAHE.

Ha, meine Ahnung!

SCHNURE.

Wie!


Kurze Pause.


CHRISTINE.

Vom wilden Sture! – Ja, dies verbrecherische

Und wilde Blut ist ihm ererbt,

Eine Wohltat ist's für der Menschen Gesellschaft,

Wenn sie befreit wird von der Greuelrasse!

So ist er obenein halb schwedisch Blut

Und doppelt meinem Richtschwert unterworfen.

Doch stammte er vom Bösen selber ab,

Und klagtet ihr noch viel erbärmlicher

Um Recht und Strafe – er ist mir verfallen,

Und stirbt, so wahr ich Königin Christine!

Versteht ihr mich, rebellische Reichsratsgrafen?

So gehet hin und schildert mich in Schweden!


[139] Sie geht entrüstet nach vorn, ihnen den Rücken kehrend und mit verschränkten Armen stehen bleibend. Jene wenden sich zum Gehen – an der Tür kommt ihnen Monaldeschi entgegen. Brahe, leise grüßend, und Schnure gehen an ihm vorüber und ab.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 133-140.
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Monaldeschi
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