Zweite Szene.


[149] Graf Ranzau. v. Köller. Guldberg und Prediger Lorenz letzterer im Hintergrunde bleibend.


RANZAU. Sieh da, lieber Vetter! Entschuldigen Sie meine Eile, die mich vorhin nicht aushören ließ, in welcher Weise ich Ihnen nützlich sein könne. Sie wollen zum General befördert sein?

KÖLLER verbeugt sich bejahend.

RANZAU. Und es bedarf nur einer Empfehlung an Graf Struensee?

KÖLLER verbeugt sich wiederum bejahend.

RANZAU. Struensee ist also dieser Beförderung nicht abgeneigt?

KÖLLER. Das darf ich wohl nicht behaupten. Herr Struensee ist gegen meinesgleichen nicht sehr zuvorkommend; und vom Standpunkte seiner bürgerlichen Vorurteile hat er mir bis jetzt immer[149] Schwierigkeiten entgegengesetzt, Schwierigkeiten, die ein Wort aus Eurem Munde sogleich beseitigen würde.

RANZAU. Seid da nicht allzu zuversichtlich, Herr von Köller. Graf Struensee tut oder verweigert nicht leicht etwas ohne triftigen Grund, und was mich anbetrifft, so bin ich durch längere Abwesenheit ohne unmittelbaren Einfluß auf die Geschäfte. Eure Vermögensumstände, lieber Köller, werden wohl der Beförderung im Wege stehn: die Generalsstelle fordert Aufwand, und Ihr habt nicht gespart.

KÖLLER. Dergleichen hat Graf Struensee bis jetzt nicht eingewendet, und ich hoffe auch, gerade diesem Übelstande binnen kurzem abzuhelfen.

RANZAU. Sieh da! Man darf also wohl bald zu einer reichen Partie gratulieren?

KÖLLER. Euch, verehrter Herr Vetter, darf ich wohl eine Aussicht mitteilen, die allerdings noch nicht verbrieft ist, die aber auch nur verbrieft werden kann, wenn ich die Generalsstelle erhalte, das heißt, wenn ich Eurer Unterstützung teilhaftig werde.

RANZAU. Darf ich ohne Zudringlichkeit um eine nähere Aufklärung bitten?

KÖLLER. Diese Aufklärung ist mir Euch gegenüber ein Bedürfnis. Ich hege eine lebhafte Neigung für die schönste und einflußreichste Dame des Hofes und schmeichle mir, deren Hand erringen zu können, wenn ich in Generalsuniform meine Bewerbung vortragen kann.

RANZAU. Darf der Name zwischen uns genannt werden?

KÖLLER. Es ist die Gräfin von Gallen.

RANZAU. Ei, das freut mich! Demnach kehrt sich die Sache um: Ihr brauchtet nicht vermögend zu sein, um General werden zu können, sondern müßtet General sein, um vermögend zu werden.

KÖLLER. Zu Befehl, Herr Graf. Während der letzten Worte Ranzaus ist Guldberg mit Lorenz in den Vordergrund gekommen.

RANZAU zu Köller. Mein Anteil verbürgt Euch meine Unterstützung. Köller verbeugt sich, und Ranzau wendet sich zu Guldberg. Ich hoffe, Graf Struensee erscheint hier zur Morgenaudienz?

KÖLLER. Graf Struensee pflegt Ihre Majestät die Frau Königin auf der Jagd zu begleiten, und deren Erscheinen ist hier jeden Augenblick zu gewärtigen.[150]

GULDBERG. Graf Struensee haben auch, weil sie im Augenblicke zu beschäftigt gewesen, diesen deutschen Prediger hierher geschickt, um ihm die erbetene Audienz im Vorbeigehn hier zu erteilen, der Herr Minister sind also mit Zuversicht hier zu erwarten.

RANZAU zum Prediger. Das ist wohl ein Irrtum! Der Herr Minister empfängt nicht im Saale des Königs.

LORENZ. Ich bin nach dem Marmorsaale beschieden worden.

GULDBERG. Es hat seine Richtigkeit: die Zeit ist teuer, und wir sind über die Pedanterie hinaus! Schon bei den Worten »die Zeit ist teuer« treten aus der Tür links paarweis vier Pagen, in kurze Pelzröcke gekleidet, Pelzbarette auf den Köpfen, umgestülpte farbige Lederstiefel mit Sporen an den Füßen, Reitpeitschen in den Händen, und schreiten unverweilt durch den Bogen, die Treppe zur Glastür hinauf. Sobald sie aber oben sind und nach dem Schloßhofe hinabsehn können, winken sie hinab, es erhebt sich eine lebhafte Fanfare der Jagdhörner, es erscheinen Pikeure von unten herauf, und sie wie die Pagen stellen sich an den Seiten der offnen Glastür auf, während die Soldaten auf den Seiten des äußeren Balkons links und rechts zugerückt sind, und nur durch die Fenster gesehn werden. Sobald die Pagen erschienen und die letzten Worte Guldbergs gesprochen sind, ruft.

KÖLLER. Ihre Majestät die Königin kommen.

RANZAU halblaut zu Guldberg, während sie sich der geöffneten Tür gegenüber aufstellen. Wo sind die Kammerherrn?

GULDBERG. Gehören zur Reform und sind beseitigt.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 149-151.
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