Erste Szene.


[180] Guldberg an der offnen Tür jener Zimmer stehend und hineinblickend. Ranzau und Köller auf und nieder gehend quer auf der Bühne.


RANZAU. Ich begreife Eure Hast und Euren Grimm, Vetter, aber Aufruhr bleibt ein gefährliches Mittel, auch wenn es zum Ziele führt, und es ist ein tödliches, wenn es mißlingt –[180]

KÖLLER. Wie soll es mißlingen!

RANZAU. Das fliegende Korps ist die einzige Truppe, welche er gebildet hat, und welche ihm anhängt –

KÖLLER. Nein!

RANZAU. Und dies fliegende Korps hält das Schloß besetzt.

KÖLLER stehen bleibend, während Ranzau weiter geht. Aber zum Henker, Graf, Ihr habt kein Herz für unsre Sache!

RANZAU stets im Wandeln. Nein, aber ich habe einen Kopf dafür!

KÖLLER stehen bleibend. Und fürchtet nur für diesen Kopf! Sagt Euch dieser Kopf nicht, daß Ihr unsre Kräfte unterschätzt? Struensee hat angesichts des Aufruhrs, der sich heranwälzt, nicht die geringste Widerstandskraft für sich, er hat nicht die geringste Hilfe von den Truppen des Schlosses zu erwarten. Sein fliegendes Korps ist durch starkbesetzte Wachtposten im Innern des Schlosses und auf der Hinterseite, die kein Mensch bedroht, bis zur Unmacht zersplittert und verteilt –

RANZAU einen Augenblick stehend bleibend. Sprecht nicht so laut, die Tür ist offen, er kann Euch hören! Weiter gehend.

KÖLLER. Und von diesem fliegenden Korps sind ihm höchstens die gemeinen Soldaten zugetan. Aber auch sie werden gleichgültig sein, wenn sie das Volk gegen ihn sehn. Was sind gemeine Soldaten! Ihr Geist wohnt in ihren Befehlshabern. Diese hat er allerdings eingesetzt, aber wie hat er sie behandelt?! Weiß denn dieser Doktor etwas von militärischem Sinn und Takte?! Von Gerechtigkeit faselt er ihnen vor, und eine billige Rücksicht, welche der oder jener von ihnen verlangt hat, nennt er ungerechte Begünstigung. Sie sind ergrimmt, daß man sie das Schulmeisterregiment heißt, und fragen den Teufel nach des Doktors Wohlbefinden.

RANZAU. Nicht so laut, Vetter!

KÖLLER. Mein Regiment aber hat die Zugänge und den Schloßhof besetzt, und es wird die Bürger Kopenhagens bis dort an die Treppe lassen, dafür steh' ich Euch, und bis hierher soll ihr Ruf dringen: Nieder mit Struensee!

RANZAU. Sprecht leise, ich beschwöre Euch!

GULDBERG sich herumwendend. Herr Obrist, Ihr sprecht so laut, daß der König den Grafen Struensee nicht verstehen kann, der ihm Bericht erstattet über das Befinden der Königin.[181]

KÖLLER leiser sprechend. Das Volk weicht nicht vom Platze, bis ihm die Entlassung Struensees verkündigt ist.

RANZAU ebenfalls leise. Und das Geschütz vom Zeughause, das immerwährend schußfertig ist?! Wenn Struensee dort an die Tür tritt und sein Taschentuch wehen läßt, so schmettern die Kartätschen in den Schloßhof, verleitete Menschen büßen es mit dem Leben, und wir sind verloren. –

KÖLLER. Der Menschenfreund kann ja kein Blut sehn und verliert den Kopf wie in Hirschholm!

GULDBERG tritt heran. Der König naht mit Struensee –

RANZAU. Wie steht's mit der Königin?

GULDBERG. Wüßte ich das genau, Herr Graf, so könnte ich dem Herrn Obrist sicher prophezeien für die nächste Stunde!

KÖLLER. Was hat das Übelbefinden der Königin damit zu schaffen?

GULDBERG. Wenn es nichts damit zu schaffen hat, so wird es Euch verzweifelt zu schaffen geben.

KÖLLER. Ihr sprecht in Rätseln, um einer bestimmten Erklärung auszuweichen, ob Ihr mit uns gehen wollt oder nicht.

RANZAU. Darin, Herr Guldberg, hat Herr von Köller recht. Wir wissen nicht, woran wir uns zu halten haben mit Eurer Teilnahme – wofür nehmt Ihr Partei?

GULDBERG. Für die gute Sache.

RANZAU. Jedermann nennt sein Interesse die gute Sache!

GULDBERG. Ihr also auch?

RANZAU kurze Pause. Ja.

GULDBERG. Wer sein Kind schlecht erzieht, darf später nicht über Undank des Kindes klagen – Ihr ruft die Kopenhagner zu Hilfe, um Minister zu werden –

RANZAU. Das tu ich nicht!

GULDBERG. Ihr laßt es geschehn – sprecht Ihr den Kopenhagenern das Recht zu, Minister zu machen?

RANZAU. Nein.

KÖLLER der nach hinten zur Tür gegangen ist. Erklärt Euch, Guldberg, der König kommt!

GULDBERG. Erklärt mir das Unwohlsein der Königin, das ist die Hauptsache.

KÖLLER rasch. Ihr seid falsch![182]

GULDBERG. Vielleicht; so wie man ein fremdes ungebräuchliches Geldstück ein falsches nennt.

KÖLLER. Ihr seid imstande, uns zu verraten!

GULDBERG. O ja!

RANZAU. Guldberg!

KÖLLER. Weh Euch!

GULDBERG. Der König!


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 180-183.
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