Zweite Szene.


[183] Der König. Struensee. Die Vorigen. Bald darauf Prediger Lorenz.


KÖNIG langsam und schweigend bis in den Vordergrund gehend. Ist der holsteinische Prediger da?

GULDBERG. Zu Befehl, Majestät – und es soll die Einsegnung des neuen Paares nicht verschoben werden, bis der Königin Majestät an der Feierlichkeit persönlich teilnehmen kann?

KÖNIG. Was sprachst du von der Königin – sie sei gegen die Heirat?

STRUENSEE aus melancholischer Zerstreutheit auffahrend. Die Königin sei gegen die Heirat?

GULDBERG. Verzeihung, Majestät, das weiß ich nicht – Graf Struensee weiß uns vielleicht darüber Auskunft zu geben?


Pause.


KÖNIG. Struensee?

STRUENSEE. Nicht daß ich wüßte! Wie kommt Herr Guldberg überhaupt zu dieser Voraussetzung?

GULDBERG. Ich bitte um Verzeihung; ich habe nichts vorausgesetzt, als daß der Königin Majestät ihres Unwohlseins wegen nicht teilnehmen werde an der Feierlichkeit –

STRUENSEE. Die Königin hat sich erholt –

KÖNIG. Sie wird Brautführerin sein – laßt den Geistlichen eintreten! Guldberg geht nach hinten und dort rechts ab, um den Prediger zu holen, mit welchem er bald darauf eintritt.


Kurze Pause.


KÖNIG. Was ist das für ein Geräusch im Schloßhofe? Kurze Pause. Da keine Antwort folgt, sieht der König fragend auf Köller.

KÖLLER. Vielleicht werden die Wachen abgelöst, Majestät.

KÖNIG. Vielleicht? Wer kommandiert die Schloßwacht?[183]

KÖLLER. Oberst von Köller, zu Majestät Befehl.

KÖNIG geht langsam nach hinten und steigt die Stufen hinauf; die Wachen außen präsentieren – als er erst einige Stufen hinaufgestiegen ist, tritt von rechts Guldberg mit Lorenz ein; er sieht, daß sich dieser vor ihm verbeugt, bleibt stehn, mit dem Profil dem Publikum zugewendet, und dem Prediger winkend. Zu Struensee! In dieser Stellung scheint er in Gedanken zu versinken.

RANZAU leise zu Köller. Ihr seid verloren, wenn der König die Aufrührer sieht.

KÖLLER. Wir sind verloren. Guldberg bleibt in der Mitte stehn, Lorenz tritt zu Struensee, der aus Gedanken auffährt, als er diesen neben sich sieht, ihn hastig bei der Hand ergreift und links in den Vordergrund führt. Ranzau und Köller stehen rechts an den Kulissen.

STRUENSEE. Wenn du mich liebst, Vetter, so entferne dich auf der Stelle unter irgend einem Vorwande!

LORENZ. Wie könnt' ich das! Der König hat mich rufen lassen, und der König ist hier.

STRUENSEE. Ich beschwöre dich, Vetter, erfülle mir unverzüglich diese Bitte! Meine Stellung, meine Macht, mein ganzes Lebensglück stehn auf dem Spiele.

LORENZ. Ich begreife dich nicht, Friedrich!

STRUENSEE. Ich werde dir alles erklären. Wenn du hinaus bist aus diesem Saale, so sage, du müßtest unverzüglich nach Holstein zurückreisen. Dann schließe dich in meinem Arbeitszimmer ein und erwarte mich.

LORENZ. Aber wie soll ich aus diesem Saale kommen, ohne daß mich der König selbst verabschiedet?

STRUENSEE nach dem Könige und dann nach Guldberg und Ranzau blickend. Der König ist das geringste Hindernis; seine Kopfnerven sind in diesem Augenblicke völlig gelähmt, er sieht und hört dich nicht und hat deiner vollständig vergessen. Von jenen Männern würde nur einer dich aufhalten, das ist Guldberg. Die andern beiden wünschen so wenig als ich meine Verheiratung mit Gräfin Gallen. Und von dir hinweg tret' ich zu Guldberg und beschäftige ihn, während du hinausschreitest. Folge mir und tue also, oder ich bin verloren! Und geh sogleich, denn die Königin und die Gräfin können jeden Augenblick eintreten! Er geht zu Guldberg hinüber, der ihm zugesehen hat, während Ranzau und Köller gespannt auf den König blicken – Lorenz bleibt betroffen auf seinem Platze stehen.

[184] STRUENSEE. Staatsrat Guldberg, auf ein Wort!

LORENZ für sich. Wie kann ich dem Befehle des Königs schnurstracks entgegen handeln?

GULDBERG zu Struensee ganz vor an die Lampen tretend, aber immer halb auf Lorenz, halb nach den offnen Gemächern der Königin blickend. Herr Graf!

STRUENSEE. Ihr seht, daß der König den Balkon nicht erreicht. Wollt Ihr hinaufsteigen und uns Nachricht geben über den Lärm; ich erwarte hier jeden Augenblick der Königin Majestät und die Gräfin! Er sieht seitwärts mit den Augen winkend auf Lorenz, der ihn unverwandt und unsicher anblickt. Infolge dieses Winkes wendet sich Lorenz halb wie zum Abgehn.

GULDBERG. Armer Herr Graf, Ihr habt zu lange untätig gewartet – da kommt die Gräfin Gallen!


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 183-185.
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