13. Valerius an Hippolyt.

[130] Unsere Naturen schieden sich für immer: Du gibst auf eine grob sinnliche Weise so ganz und gar jedem Gelüste[130] fraglos nach, daß Dir am Ende gar kein Unterschied mehr übrig bleibt von dem bloß Animalischen. Wenn die Bildung nicht eine gemeinschaftliche Natur wird mit dem, was Sinn und Körper heischt und was der einschränkende und ordnende Geist zuläßt oder gebietet, wenn sich nicht eine Ehe geordneter Art zwischen Leib und Seele bewerkstelligen läßt, dann hinaus mit dem Menschen unter die Tiere des Waldes oder der Wüste, er überhebt sich ihrer in keiner andern Weise, als daß seine Sinne vielleicht noch raffinieren.

Möge hie und da ein einzelner Mensch Deiner Gattung übrig bleiben, wie man für Wissenschaft und Kunst eine Urpflanze, ein Urgeschöpf aufbewahrt, um stets ein echtes Bild vor sich zu haben, wonach die Ausbildung geregelt werde; möge einem Geiste wie dem meinigen noch oft eine Erquickung, ein Spekulationswecker aufstehen in einem Menschen wie Du, in einem teilnahmsvollen Verhältnisse, wie zwischen uns – aber die zivilisierte Welt muß Dich vernichten, wie ganze Gegenden ausziehen, um einen Wolf zu erlegen. Fahre wohl! Ich werde Deiner gedenken, und zwar mit einer Liebe, wie ich sie vielleicht allein auf der Welt für Dich haben kann, weil ich allein Deine innerlichste Menschenbedeutung erkenne.

Wundere Dich nicht, beklage Dich nicht! Wer keine Beschränkung duldet, der duldet auch keine Liebe; Du vereinsamst Dich für Deine Lust, und so wirst Du auch vereinsamt und vogelfrei für jeden Schützen, der auf Dich zielen will, so vereinsamst Du Dich auch zum Tode. Fahre wohl! Ich sehe Dich einsam erschlagen am Meeresstrande eines fernen Weltteils liegen; Deine zornige Seele ringt sich mühevoll vom starken, widerspenstigen Leibe und stürzt drohend ins All hinaus, um ihre Verbindung mit der Gottheit zu suchen, ihre unmittelbare Verbindung. Armer Hippolytos! Das ist eben der tragische Mensch, daß er nur mittelbar der Gottheit sich bemächtigen kann, und es ist wenig Aussicht[131] vorhanden, daß die Unmittelbarkeit gleich nach diesem Leben eintreten werde! Armer Hippolytos!

Jawohl, jawohl, wir haben uns einst alle erhoben für die Freiheit, aber die Freiheit für Zivilisierte ist nur ein freies Gesetz; ja wohl haben wir uns erhoben für den wahrhaften, echten Verkehr zwischen den Geschlechtern und gegen die lügenhafte Ehe, aber nur gegen die lügenhafte; wo in Wahrheit zwei Wesen in eines aufgehen, da ist eine Erfüllung des Menschentums gewonnen. Was mir eine Geliebte zurief, das bezeichnet für mich den wahren Standpunkt, sie sagte, den verehelichten Personen gelte der Kampf, nicht der Ehe.

Haltet die Ehe offen, wie der Herr des Himmels seine Hand offen erhält für den wahrhaft notwendigen Wechsel der irdischen Welt, den Wechsel von Tag zu Nacht, von Schnee zu Blumen; schüttelt die Personen, welche durch Lüge mit dem Institute Frevel treiben, schützet diejenigen, welche von der Unwahrheit einer Verbindung gefesselt und zertrümmert werden, kämpft gegen und für die Verehelichten, haltet die Tür der Erfindung offen, doch vermengt damit nicht die Ehe selbst.

Aber, ist Dein Verhältnis zum Weibe etwas anderes als ein Krieg, ein Raubzug? Soll ihn das Weib gutheißen, kann ihn der Mann loben? Du willst vom Weibe nur die Lust; das Weib kann aber auch ein Herz geben, eine Ewigkeit darin, und vergleichen willst Du nicht, weil Du's nicht brauchen kannst; Du vernichtest also das Weib.

Fahre wohl! Der Schrecken wird Dich ereilen in der freien Welt Amerikas. Dort ist die Freiheit ein Rechenexempel, und ein schlimmeres als das, um deswillen Du Europa fliehst. In einer durchwirkten alten Welt sind die Zahlen, dieser unpoetische Behelf, abgestumpft, und die Mannigfaltigkeit entschädigt für einzelnes Mißfällige – dort drüben in der amerikanischen Anfänglichkeit stehen sie noch[132] nackt und einzeln da wie ein Pfahlwerk, das die Zeit überkleiden soll, und an diesem Pfahlwerke wirst Du gespießt. Ein Rechenexempel, ein Pfahlwerk der Freiheit ist dem poetischen Gelüste viel unerträglicher als eine bekleidete, mit geschichtlichem Moos bewachsene Untertänigkeit; der bloße Begriff ist ein Rezept, die Gewohnheit aber ist eine Speise, und Speise braucht der Mensch. Fahre wohl!

Ich bin wirklich von Grünschloß nächtlicherweile ins Gebirg gewandelt und habe als Kohlenbrenner die Berge durchstrichen aufwärts und abwärts. Hier in einem abgelegenen Tale saß ich eines Morgens und labte mich an dem harten, schwarzen Brote, das in meinem Schnappsacke zu finden war; die Sonne schien, die Vögel sangen, mein Leib war gesundet und gekräftigt, mit ihm mein Geist, ich dachte damals: Ei nun, du bist ja nicht allein klug in der Welt, sie wird's so gut machen und besser als du, laß sie gewähren, glaube ihr, betrachte, sinne, dichte von neuem, aber im kleinen. Mit der großen Welt bist du gescheitert, versuch's mit dem verjüngten Maßstabe; harke die Erde, pflanze Kohl, wirke auf den Nachbar, suche das Nächste, wage dich nur langsam und äußerst vorsichtig mit dem Schlusse, mit der Forderung ins Allgemeine.

Da trat ein Bauer zu mir, der aus dem Holze kam, und grüßte mich; er fragte, ob ich feirig sei, und warb meine Fäuste und meine Tageszeit. Und zwar für seinen Garten, für seine Baumschule, wenn ich dergleichen verstünde, »denn Ihr seht mir«, meinte er, »nicht so recht aus wie Feldarbeit.« Ich verstand's, und es schickte sich gut: es gedieh die Frucht, und des Abends schwatzte der Bauer mit mir und ließ sich erzählen und Ratschläge geben – es erquickte mich, die Macht des Geistes zu sehen, des unbefangenen Geistes, wie er sich abgesetzt hat in mir durch soviel Erfahrung und Gedanken. Es war mir Freude und Genugtuung, einen Erfolg solches unparteiischen, laß mich sagen naiven Geistes[133] auf den Bauersmann zu sehen, ich sprach nicht in Kategorien, nicht im Jargon unserer Kultur, und es trat ein wirklich bildendes Verhältnis zwischen uns ein – was erkannte ich? Ach! Nach bestimmten Zielen rennt man, verfehlt sie und läßt die Arme sinken; man glaubt, umsonst gestrebt und gewagt zu haben, aber der Anfall macht uns aufmerksam, daß wir zu einem ganz anderen Besitze gekommen sind: zwischen den Fugen, in denen wir uns bewegt, zwischen den Fingern, mit denen wir gerafft und nichts errafft haben, sind feine Sommerfäden hangen geblieben, Fäden, welche eine Verkündigung stillen glücklichen Sommers sind. Die Welt besiegt man nicht, aber einzelne Leitgedanken, einzelne Weisheit derselben siedeln sich unserer Seele an, und statt der Herrschaft über das Ganze, nach welcher wir ausgezogen sind in Kampf und Streit, finden wir eine Herrschaft über uns selbst, einen Aplomb unserer selbst, eine Entsagung, aus welcher heraus eine Macht und Herrschaft unserem Geiste wächst, größer und dichter, denn alle äußerliche.

Der Bauersmann erzählte seinem Herrn, welch einen Gärtner er gewonnen; der Herr kam, ich fand mit Leichtigkeit den höheren, richtigen Bezug zu ihn, ohne ganz meinen Charakter zu verleugnen, ohne das System aufzugeben, daß mir die Welt noch einmal von der Einzelnheit und von der Resignation aus zu erobern sei. Ich gefiel auch ihm, – die Fassung, das Verhältnis, in welchem etwas erscheint, macht ja alles; die meiste Beziehung, welche in der Welt existiert, ist ja in den ersten tausend Jahren der Welt aufgefunden worden, das Verhältnis, in welches diese Beziehungen zueinander gebracht werden, dies allein ist das Neue, das Reizende, ist die Aufgabe. So war denn der weise Gärtner dem Gutsherrn ein Wunder, ich mußte aufs Schloß, mußte einen großen Teil der Verwaltung übernehmen; mein Regiment über Obstbäume und den Bauer wuchs solchergestalt reißend, der Schloßherr, jung und wacker, hat es mir nach[134] und nach über sich selbst eingeräumt, er weiß, daß ich kein Gärtner bin, daß ich eine bewegte Geschichte habe, aber wir schweigen darüber. Die Polizei aus jenem Staate drüben, die mich für den Mörder Konstantins und Juliens hält, soll mich nicht quälen, und ich will deshalb in der Stille bleiben. Diesem über mir schaukelnden Schwerte, das meine Bewegung bannt, sehe ich ruhig zu; früher allerdings hätte ich dies nicht vermocht: wer aber resigniert hat, ist viel stärker, als wer alles besitzt. Ein Durchreisender kann mich allerdings erkennen, denunzieren, aber ich denke, es wird nicht geschehen.

Meine Macht wollte noch weiter hinaus: der Gouverneur des Distrikts, von meinem Gutsherrn unterrichtet, ließ sich mit mir ein, wollte mir ein groß Regiment anvertrauen; ich hab' es abgelehnt, weil ich dabei wieder in die Unsicherheit des offenen Meeres geworfen würde, und weil ich fühle, daß meine Kraft und Ruhe doch noch sehr jung und schmächtig ist; möge sie höher und breiter und möge ihre Rinde wachsen mit den Jahren! Fast berauschte es mich schon, wie dieser Weg des kleinen Schrittes doch so rasch und sicher zu großer Herrschaft führe; wer noch berauscht wird, der ist noch zu jung. Nicht wahr, ich werde ein Philister? 's ist nicht so arg: mancherlei Hoffnung, sogar mancherlei Überschwenglichkeit schlägt schon wieder die Flügel in mir. Wenn ich noch einmal lieben könnte, dann wäre alles gut; ich fürchte aber, diesen schönsten Keim haben mir die Nachtfröste verdorben.

Ein ganz verschwiegen Tal – freilich ist mir die Verschwiegenheit gar zu wünschenswert geworden – ein Tal mit der Ruhe und warmen Fruchtbarkeit des Paradieses habe ich aufgefunden, dort baue ich mir ein zierlich, heimlich Haus, ich bin sehr gut bezahlt und habe das Geld dazu, es wächst täglich und rundet und schließt sich im freien Schatten dunkler Kastanienbäume, die für mein Sonnenherz eine große[135] Spalte nach Morgen offen und frei lassen. Du glaubst nicht, was mir das für Freude gewährt, solch ein eigenes Besitztum zu schaffen, einen wunderbaren, ganz neuen Reiz. Ist's ein Egoismus, o laßt mir die kleine Sünde, ich stelle auch keine unbedingten Verlangnisse mehr an Euch, ich bin nicht mehr kategorisch, seid's auch nicht gegen mich! Wirklich die größte Freude, Hippolyt! Heute habe ich sogar eine Spekulation mit gewagt, eine industrielle, die ich mit all meiner Erfahrung ausgerechnet habe; Walden, mein Gutsherr, sagt: »Wenn sie gelingt, so soll Ihr Gewinn das ganze Tal sein, wo Sie Ihr Haus bauen, und ich rüste Ihnen die Besitzung mit zwei Stück Stammvieh von jeder Sorte aus, von Pferden, von Ochsen, von Kühen, von Schafen, von Ziegen« – denke Dir, dann hätte ich eine ganz vollkommene Wirtschaft! Aus dem unglücklichen Weltreformator würde ein beschränkter Landwirt, dessen Besorgnis das Kalben einer Kuh wäre – spotte zu, ich bin gesund beschäftigt in diesem Treiben, und die große Welt in mir stirbt darüber nicht, o, sie ist so geschäftig im Kleinen!


Triumph! Es ist gelungen! Ich bin Herr meines Tales, der Besitz, ein Wort, das uns bisher immer unbekannt geblieben ist, rankt seine weichen, verführerischen Arme um mich, und seine Macht ist im so größer, weil ich ihn selbst erworben habe. Das Geschenk berauscht, das Erworbene beglückt und fesselt. Der Regen, welcher vom Himmel fällt, der Sonnenblick, welcher sich durchdrängt und einen Wechsel verheißt, sie haben jetzt einen viel wichtigeren Bezug auf mich, sie wirken zum Gedeihen meiner Frucht, sie bestimmen die jedesmalige Anordnung des Geschäfts, ich gehöre jetzt zur großen Familie Gottes, welcher die Erde zur Verwaltung übergeben ist. Denen, die draußen sind, die umherschweifen lose über die besetzte Erde, bleibe die Spekulation die[136] stürmische, ins allgemeine brausende, den anderen aber bleibe ungestört die nächste Sorge, die Verteidigung des Ruhenden – aus diesem Gemisch bilde sich die Welt weiter; aber es verachte mir keines das andere. Und kommt man auf meinem Wege zum Eigentume, so entweicht die Spekulation nicht, auch dem Ruhenden kreiset das Blut; aber sie geht in kleineren Schritten. Trotzdem arbeitet sie unablässig; laß mir den kleineren Schritt.


Bin ich furchtsam geworden? Du wirst es sagen; aber ich habe eine Erfahrung gemacht, die mir einen andern Gedanken aufdrängt: der Mut läßt sich nicht als etwas Allgemeines aufstellen und verlangen; so wie das Verdienst und der Fehler bei jedem einzelnen ein eigenes sind, so ist auch der Mut für jeden einzelnen ein anderer. Wenn er hinausgeht aus der eigentümlichen Bildung und Anlage des Menschen, so wird er ein forcierter, ungedeihlicher – ich hab's mit Schrecken eingesehen. Höre:

Mein Haus und Land waren bestellt, ich konnte abkommen, bestieg meinen Klepper, um aus meinem Zauberkreise wieder einmal in die Welt hineinzusehen. Du baust dich vielleicht in einen Irrtum ein, sprach mein Geist zu mir, du befängst dich in Abgeschiedenheit, betrachte rasch die fremde Welt mit einem prüfenden Blicke. Einige Meilen von uns liegt ein Bergstädtchen, wo sich viele Straßen kreuzen, mancherlei Fremde zusammenfinden, wo ein reger Menschenverkehr sich bewegt – dorthin ritt ich, und siedelte mich an, um einige Wochen zuzuschauen.

Wen fand ich dort? Ich trat in eine kleine Gesellschaft, und an meinen Hals flog Kamilla. Die Leute guckten, steckten die Köpfe zueinander, verwunderten, fragten sich. Das arme Mädchen war zu einer Verwandten hierher geflüchtet und lebte still und anspruchslos – da erscheine ich,[137] der natürlichste Gedanke, daß ich sie aufgesucht, fliegt wie ein Frühlingswind durch ihr Herz; sie fragt nicht, sie beachtet nicht, sie liebt, das gute Mädchen!

»Du hast eine Antipathie gegen de Ehe,« sagte sie; »Valerius, widersprich nicht, ich weiß es, sie soll dir nicht gestört werden, ich komme zu dir als deine Geliebte, ich will nie mehr sein als deine Geliebte, nimm mich auf! Was kümmert mich sonst in der Welt als deine Liebe, laß die Leute reden, lächle doch!«

Bin ich furchtsam, den Formen, dem Geklatsch unterworfen? Es scheint so, denn ich ertrug es nicht, daß man mit Fingern auf uns wies, daß die kläglichsten, ordinärsten Weiber ihren Stuhl wegrückten, wenn sich Kamilla neben sie setzte; Kamilla, ein Engel neben diesem Troß, Futter für Hebammen – ich sah das Nichts dieser Geschöpfe, wußte, daß sie keinen Begriff davon hätten, was bloße Form, was höhere, innere Wahrheit, was wirkliche Sittlichkeit sei, ich wußte alles, aber ich ertrug es nicht. Ich litt Folterqual für Kamilla. Sie, die Feinfühlende empfand es nur zu bald. Eines Abends waren wir in einem öffentlichen Salon, wo ein allgemeines Fest gefeiert wurde, man setzte sich an eine große Tafel, um zu speisen, es blieben für uns an einer Ecke zwei Plätze leer, wir gehen darauf zu, eine ordinäre Kaufmannsfrau von der plebejsten Form und Gesinnung sitzt auf dem angrenzenden Stichle, sieht uns kommen, steht von ihrem Sessel auf, legt ihn um, setzt sich auf einen der beiden Plätze, die wir einnehmen wollten. Ich frage höflich, ob sie diese Stühle noch besetzen wolle. »Ja,« erwidert sie mit lauter Stimme, »ich will nicht neben einer Liebhaberin sitzen, dazu ist mir meine Reputation zu lieb.« All mein Blut trat mir aus dem Gesicht, ins Herz zusammen, ich erinnere mich kaum, je eine solche Wut empfunden zu haben; ich faßte sie bei der Hand, daß ihr wohl Hören und Sehen, wenigstens das Schreien vergehen mochte, zog sie in die[138] Höhe, führte sie zwei Schritte hinter den Stuhl, und ihr sagend: »Madame, verkaufen Sie Bindfaden, und bleiben Sie unbekümmert um sonst etwas!« gab ich Camilla die Hand, und wir setzten uns. O dieser Zustand! Das ging nun wie ein Rottenfeuer um die Tafel herum, bald lauter, bald leiser, durchweg mit einem Ausbruch gegen uns drohend; alles sah auf uns, ich schlang Gift hinunter mit dem Essen, und die Rache, mir sonst so fremd, schrie in mir. Kamilla, diesen Engel, wie kannst du ihn rächen an der Brutalität des Packs – je fremder diese Stimmung in meinem jetzigen Wesen war, desto verheerender tobte sie in mir umher.

Am andern Morgen war Kamilla verschwunden; der Torschreiber hatte sie mit einem Bündel unter dem Arme bei grauendem Tage fortwandern sehen; ich schickte Boten nach allen Richtungen, ich jagte selbst nach allen Seiten, umsonst. Und ich wußte obenein, daß sie mittellos hinausgegangen war in die fremde, feindliche Welt, ich war in Verzweiflung. Ein Zettel allein auf meinem Nachttische war mir geblieben, folgender:


»Du hast nicht das Wesen, Valerius, ein illegales Verhältnis zu ertragen, Du leidest, Du sollst aber glücklich sein. Ich gehe, folge mir nicht, mein Lieber, es gibt nichts Gutes für Dich, wenn Du mich fändest. Meiner herzinnigsten, unverbrüchlichsten Liebe für Zeit und Ewigkeit sei ganz gewiß; suche Dir ein Eheweib, sie wird Dich beglücken. Du schläfst fest, während ich dies schreibe, ich küsse Dich noch einmal leise und schlucke den Tränenstrom hinunter, damit er Dich nicht wecke; dann geh' ich für immer. Bis an meinen Tod will ich für Dich beten. Deine, ach, bis in die geheimste Faser des Herzens

Deine

Kamilla.«


Wochen sind vergangen, alle Nachforschung bleibt vergebens.

Quelle:
Heinrich Laube: Das junge Europa, in: Heinrich Laubes gesammelte Werke in fünfzig Bänden, 3 Bände, Band 3, Leipzig 1908, S. 130-139.
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