23. Valerius an Konstantin.

[129] Also wirklich krank bist Du, gemütskrank? Krank an Deinem neuen Frankreich – ich glaube, Du hast recht mit Deiner Krankheit; sie wollen Euer heißes Juliblut konfiszieren. Schreib' mir nur nicht so karg darüber – mehr, mehr, auch wenn es Wermut ist.

Heut abend ist plötzlich mein Gegner hier angekommen; er kennt den Grafen und hat ihn unterrichtet. Eben war dieser bei mir, sehr ernsthaft und feierlich gestimmt; von seiner sonstigen Wärme gegen mich keine Spur. Was muß der Mensch für Dinge ihm gesagt haben! Ich ging mein Leben durch und fand durchaus keinen Anhaltspunkt. Deshalb[129] versicherte ich dem Grafen, es müßte notwendig ein Irrtum sein. Mit wunderlicher Bestimmtheit versicherte mir dieser, es sei keiner, und der Fremde habe den triftigsten Grund mich zu fordern. Natürlich erklärte ich, daß vom Duell keine Rede sein könne, bevor ich von der Ursache unterrichtet und mit dem Narren, der Person, welche mich durchaus totschießen wolle, bekanntgemacht sei. – Auf des Grafen Bitte, nicht danach zu fragen, auf seine heilige Versicherung, daß alles in vollgültiger Richtigkeit sei, habe ich mich zu der wunderlichen Farce entschließen müssen, ein Duell mit jemand einzugehen, den ich nicht kenne, dessen Vorwürfe und Zornesgründe mir unbekannt sind. Morgen früh werden sich zwei Leute im Park schießen. Der eine tritt wie eine Sache, wie ein Pfahl ans Ziel hin, der andere aber wird, Gott weiß, wessen Ehre durch einen Schuß auf diesen Pfahl reinigen. O Welt, mit wieviel Fratzenbildern bist du eingezäunt!

Begegnet mir etwas Menschliches, so bedaure die Enkel, daß ihnen ein Kämpfer für ihre Freiheit gefallen ist, beneide die jetzt Herrschenden, daß sie einen unversöhnlichen Feind ihrer Herrschaft weniger haben. Ich habe nur ein großes Interesse auf dieser Welt, das ist die Freiheit, nur weil ich noch für sie sterben kann, würd' ich ungern im Fratzenkampfe untergehen. – –

Eben höre ich mit tiefem Schmerz, daß Kamilla bei Ankunft des Fremden außer sich geraten ist, sich eingeschlossen, gepackt und soeben den Reisewagen bestellt hat. Der Wagen rollt vor das Schloß – lautes Geräusch auf der Flur, der Treppe. – –

Ich ging an die Tür und hörte eine fremde Stimme neben Kamillas; ich durfte nicht hin; es war offenbar der Fremde, und dem Grafen hatte ich versprechen müssen, ihm auszuweichen. – Alberta sprach weinend dazwischen; sie waren im Hausflur, ich eilte an mein Fenster, Lichter und Laternen erhellten den Raum vor dem Schlosse, Kamilla[130] ging eilig auf den Wagen zu, wehrte mit der Hand alle zurück, sprang in den Wagen und flog davon.

Das Schloß ist einsam für mich, ich bin dem Mädchen sehr gut gewesen. Die Lösung der Rätsel muß ich erwarten.

Quelle:
Heinrich Laube: Das junge Europa, in: Heinrich Laubes gesammelte Werke in fünfzig Bänden, 3 Bände, Band 1, Leipzig 1908, S. 129-131.
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