10. Clorinda erfreut sich deren so viel ausgestandenen Beschwärnussen und Widerwärtigkeiten/ weilen ihr Gott dieselbige mit Himmlischen Trost so reichlich ersetzet

Secundùm multitudinem dolorum meorum in corde meo consolationes tuæ lætificaverunt animam meam,

Psal. 93. v. 19.


Nach Viele deren Schmertzen meines Hertzens haben deine Tröstungen meine Seel erfreuet.


1.

Es ist des Himmels Schluß

Den Faulen zum Verdruß/

Daß niemand werd' belohnt/

Der treulich nicht gefrohnt;

Vor ausgeraufftem Dorn

Wachßt weder Wein/ noch Korn;

Ein ungebautes Land

Bringt wenig Frucht der weich- und zarten Hand.


2.

Dem Jäger in der Ruh'

Laufft das Gewild nicht zu/[206]

Muß sich bewerben lang

Umb einen guten Fang:

Man schlupfft nicht ein so gleich

In das Schluraffen Reich:

Nach dem Land Canaan1

Hat Josuë viel harte Tritt gethan.


3.

Das hat schon Rom erkennt/

Und sinnreich eingewendt/

Indem' es auffgeführt

Ein Hauß/ sehr schön geziert/2

Woraus es wohl bedacht

Zwey Tempel hat gemacht;

Der Arbeit einer zwar/

Der andere der Ehr geheiligt war'.


4.

Zum Ehren-Tempel doch

War' weder Thür/ noch Loch/

So/ daß man gehn hinein

Nicht könnte/ dann allein

Nur durch der Arbeits-Thür/

Die offen für und für:

Der faulen Burst zur Lehr/

Daß ohne Mühe zu hoffen sey kein Ehr.


5.

Es war auff einem Feld

Ein schönes Obs-Gewäld/3[207]

So voll der Früchten war'

Von reinstem Gold so gar;

Ein Drack' lag' aber vor

Des Gartens starcken Thor/

Wer was von dieser Frucht

Wolt' haben/ mußt' ihn schlagen in die Flucht.


6.

Das schöne Paradeiß

Vor diesem hatt den Preiß/

Dann dieses Früchte trägt/

Die man auch Gott vorlegt/4

Doch steht an Drackens Stell

Ein Creutz am Thür-Geschwell;

Wer dieses auff sich nimmt/

Dem ist zu Lohn das Paradeiß bestimmt.


7.

Wer aber allerseits

Nur fliehen will das Creutz/

Ohn' alle Arbeit seyn/

Den laßt man dort nicht ein;

Dann wer des Creutzes Feind/

Der ist nicht Daphnis Freund/5

Und wer ein solcher ist/

Der wird erkennet nicht zu seyn ein Christ.


8.

Das Leyden ist ein Spiel/

Dem auffgesetzt sehr viel;6

Dem Sieger ist bereit[208]

Die Cron der Seligkeit;

Wer sich darumb nicht reißt/

Und Krafft-gemäß befleißt/

Nur fliehen will die Mühe/

Der wird niemalen auch bekommen Sie.


9.

Der nicht versucht das Schwerdt/

Ist keines Sieges wehrt;

Die ausgestand'ne Schlacht

Den Kriegsmann ruchtbar macht:

Wer keiner Arbeit hold/

Wird sammlen wenig Gold/

Und wer verschmächt das Bier/

Der ist nicht werth zu trincken Malvasier.7


10.

Zu der Erquickungs-Ruh'

Rufft Gott nur die hinzu/

So alles Trostes lähr/

Mit Creutz beladen schwär;8

Wer hier will selig seyn/

Der muß dort leyden Pein/

Das zeuget in der Höll

Der reiche Mann/9 des Bacchus Tischgesell.10


11.

Drumb ist es tröstlich mir

Zu leyden viel allhier/

Dann was mich hart da brennt/

Wird mir in Trost verwendt:[209]

Das Leyden daurt nicht lang/

Ist nur ein Ubergang/

Nach kurtz-erlittnem Leyd

Folgt gähling ohne End die Himmels-freud.11


12.

Nach ungeheurer Nacht

Die Morgenröht erwacht/

Erfreut die gantze Welt/

Die von der Nacht gequält/

Vertreibt des Hertzens Traur;

Nach Donner/ Blitz und Schaur

Laßt sehen sich alsdann

Der Regenbogen/ trostreich jedermann.


13.

Dem Winter folgt der Lentz/

Setzt auff die Freuden-Kräntz'/

Sein bunt-geblümmtes Kleid

Vertreibt das Winter-Läid;

Nach Unfall kommt das Glück/

Treibt das Unheil zurück/

Und trücknet ab den Schweiß/

Dem es gemacht zuvor sehr bang und heiß.


14.

Nach Wäinen folgt der Trost/

Der alle Qual hinstoßt:

Nach Krieges Wütterey

Macht sich der Fried herbey:

Nach ungestühmen Meer[210]

Legt sich der Wellen-Heer:

Nach vielem Ungemach

Quällt endlich auch hervor der Nectar-Bach.


15.

Ich fühl auff Erden schon

Der Arbeit grossen Lohn/

Dann alles wird mir leicht/

Was ich zuvor gescheucht/

Mir wird in meiner Hand

Schon ring/ was ich befand'

Vorhero schwär zu seyn;

Die Liebe Gottes wirfft den Zucker drein.


16.

Die Creutz-Einbildung macht

Den Sonnenschein zur Nacht/

Es scheinet alles hart/

Was sonsten lind/ und zart;

Wer diese überwindt/

Viel anderst es befindt;

Was kan dem bitter seyn/

Der nur einmal versucht den Liebes-wein?12


17.

Wann ich nichts anders hätt'/

Als nur das sanffte Bett/

Wo mein Gewissen ruht

In unverstörtem Muht/13

So könnt ich wohl mit Fug

Erfreuen mich genug;[211]

Ach was für harte Sturm'

Entstehen nicht von dem Gewissens-Wurm!


18.

Wie plagt/ und nagt er nicht/

Wo er viel Sünde sicht!

Was macht er nicht für Pein/

Wo er genistet ein!

Wann sich zu Nachts im Hauß14

Nur regt ein arme Mauß/

Wann nur ein Läublein sich

Bewegt/ so geht schon in das Hertz ein Stich.


19.

O wann ihr Menschen wißt/

Wie süß das Leben ist/

Wo das Gewissen frey

Der Sünden-Tyranney/

Und/ flüchtig von der Welt/

Allein an Gott sich hält/

Ihr wurdet heute noch

Ablegen das schmertzhaffte Sünden-Joch.


20.

Vor grosser Freud kan ich

Schier selbst nicht fassen mich/

Daß Gott mich aus dem Kaht

Der Sünd gerissen hat:

Ihm sey Danck/ Lob und Ehr/

Der mich geliebt so sehr/

Daß er durch allerhand

Beschwärnuß mich gebracht zu solchē Stand.


Fußnoten

1 Gelobte Land.


2 Templum honoris & laboris.


3 Der Hesperische Garten, Poët.


4 Umh kleine Trübsal ewige Glory. 2. Cort. 4. v. 18.


5 Deren Feinden des Creutzes Christi Ende ist der Undergang. Philipp. 3. v. 18.


6 Non coronnabitur, nisi legitimè etc. 2. Tim. 2. v. 5.


7 Dulcia non meruit, qui etc.


8 Venite ad me omnes. Matth. II. v. 28.


9 Luc. 16. v. 19.


10 Sauff-Gott. Poët.


11 S.P. Franciscus post regulam ad Fratres.


12 Cant. 2. v. 4.


13 Secura mens quasi juge convivium, Prov. 15. v. 15.


14 Terrebit eos sonitus solii volantis. Lev. 26. v. 36.


Quelle:
Laurentius von Schnüffis: Mirantisches Flötlein. Darmstadt 1968, S. 202-203,206-212.
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