13. Der Schweizer

[76] Wer, Schweizer, wer hat Schweizerblut?

Der, der mit Ernst und frohem Muth

Dem Vaterlande Gutes thut,

In seinem Schooße friedlich ruht;

Nicht fürchtet seiner Feinde Wut;

In dem fließt reines Schweizerblut.


Wer Falschheit haßt und arge List,

Und Schlangen gleich flieht jeden Zwist;

Und, was ihm Gott giebt, froh genießt,

Gern sein gesundes Blut vergießt,

Wenn sein Tod Andrer Leben ist,

Der ist ein Schweizer und ein Christ!


Wer seiner Väter Tugend ehrt,

Sie ausübt und sie andre lehrt,

Das Gute schützt, dem Bösen wehrt,

Des Schmeichlers Stimme niemals hört,

Und Treu hält, wenn er auch nicht schwört,

Der ist des Helden Namens werth!


Wen Vieler Glück und Sicherheit

Mehr als sein eigen Glück erfreut:

Wen keine schöne That gereut,

Wer frühe den Tyrannen dräut,

Dem Laster gleich die Knechtschaft scheut;

Der, der hat Schweizerredlichkeit!


Wer immer, wo er stehn soll, steht

Sich niemals über Andre bläht,

Den graden Weg in allem geht,

Gold, Wollust, Üppigkeit verschmäht,

Selbst erndtet, was er selber sät;

Ist über Könige erhöht!
[77]

O Schweiz, du Heldenvaterland!

Sey niemals deiner Väter Schand,

Und halt das vestgeknüpste Band

Der Einigkeit mit treuer Hand!

Dann ist in dieser Welt kein Land

Dir gleich du Heldenvaterland!


Quelle:
Johann Kaspar Lavater: Ausgewählte Werke. Band 1, Zürich 1943, S. 76-78.
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