Vierter Auftritt

[1544] Erzbischof. Guido.


ERZBISCHOF. Guido, Guido, schon wieder in Flammen?

GUIDO. Wie konnt ich anders, wie konnt ich anders, er brachte mich durch angenommene Kälte aufs Äußerste, sagte mir brennende Beleidigungen mit einem so einfältigen Gesicht, als wenn er auch für die Erbsünde zu dumm wäre.

ERZBISCHOF. Ich kenne dich, du reizest sie immer zuerst.

GUIDO. Wer reizet zuerst, der ein hitziges Wort ausspricht, oder der, der ihn durch tausend Torheiten und stumme Beleidigungen dazu bringt? Wer möchte nicht bersten, wenn er die untätigen Knaben in ihren Sesseln von Weisheit triefen sieht – Da schwatzen sie von Unsterblichkeit, und Freiheit und von dem höchsten Gute, sehen ernsthafter aus als Marcus Porcius Cato, wenn er Bauchgrimmen hatte, und doch hat alles das Geschwätz noch nichts gewirkt, als eine sanfte Leibesbewegung des Schwätzers.

ERZBISCHOF. Aber ich bitte dich, Guido, wenn das auch so wäre, was geht es dich an?

GUIDO. Und alles das wird mit Beispielen großer Männer erläutert. Aber beim Himmel! wer ein Held sein kann, wird kein Geschichtskundiger. – Allein da steht der müßige Julius im Tempel des Nachruhms, bläst den Staub von der Bildsäule Alexanders, setzt einen neuen Firnis über die Nase des Cäsars, und gafft nach der Erbse des Cicero. So viel glänzende Beispiele weiß er! – Lägen große Keime in ihm, er wäre selbst ein Held geworden – oder er hätte sich wenigstens gehenkt! – Wahrhaftig er kann den ganzen Abend Leben und Taten lesen, und doch die Nacht ruhig schlafen.

ERZBISCHOF. So hör doch endlich auf Guido.

GUIDO. Aber das sind die Früchte der gepriesenen Ruhe, in der jede Tugend rostet. – O ich fühl es selbst! Warum rief mich mein Vater aus dem Krieg wider die Ungläubigen? – Da sitz ich nun, und muß mir die Zähne stöhren, wenn ich die Nachrichten hör, daß meine Freunde berühmt werden und Stampft mit dem Fuße. das Tedeum singen, wenn Schlachten ohne mich gewonnen werden. – Sein Sie nicht unwillig, Herr Oheim lassen Sie mich wenigstens in die Stangen meines Käfigs beißen.

ERZBISCHOF. Gut, aber warum verlangst du, daß jedermann so schimärisch denken soll als du?[1544]

GUIDO. Wenn das Schimären sind, so geb ich nicht diesen Degenknopf für den ganzen Wert des Menschengeschlechts. Aber ich fühl es hier Indem er sich an die Brust schlägt. daß ich Wirklichkeiten denke.

ERZBISCHOF. Laß das gut sein. Aber warum soll denn jedermann so denken, als du, wozu die ewigen Parallelen zwischen dir und Julius?

GUIDO. Macht er nicht diese Parallelen selbst, steht allerorten in meinem Wege, schwatzt wo ich handle, wimmert wo ich liebe?

ERZBISCHOF. Über den Punkt könntet ihr längst ruhig sein – Blanka ist eine Nonne.

GUIDO. Herr Oheim, Guidos Entwürfe können alle zerstört werden, aber er gibt keinen einzigen auf. Ich wette gern mit dem Schicksal. Laß es die Ausführung meines Entschlusses setzen, ich setze mein Leben – mich deucht, das Spiel ist nicht ungleich. Da ist meine Hand, schlagen Sie im Namen des Schicksals ein.

ERZBISCHOF. Bedenke, was du schwatzest, Blanka steht unter der Gewalt und dem Schutz der Kirche.

GUIDO. Ich weiß, was Sie sagen; ich weiß, eine Schlacht ist gegen einen Streit mit der Kirche nur eine Fechtübung gegen eine Schlacht, aber –

ERZBISCHOF. Halt Guido, ich habe schon vieles gehört, was der Oheim nicht hören sollte. Du willst itzt etwas sagen, was der Bischof nicht hören darf. Ab.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1544-1545.
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