Sechster Auftritt

[1546] Fürst. Erzbischof.


FÜRST. Das sieht Guidon nur zu ähnlich – Aufrichtig, Bruder, glaubst du, daß ich noch einmal ein glücklicher Vater werde?

ERZBISCHOF. Ich glaub es in der Tat.

FÜRST. Itzt bin ich es nicht. O wie beugen mich diese Zwistigkeiten! – wenn nur nicht wahre Disharmonie ihrer Charaktere der Grund davon ist!

ERZBISCHOF. Ich hoffe nicht.

FÜRST. Ich auch nicht; aber ich habe früh Bemerkungen über den Punkt gemacht. Als Guido noch ein Knabe war, immer im Spiel König sein wollte, und für die Bewunderung seiner Gespielen so gefährlich auf Bäume und Felsen kletterte, daß sie ihn für schwindelnder Angst kaum bewundern konnten; so dacht ich oft: Hilf Himmel, wenn die Leidenschaften des Knaben erst aufwachen!

Sie sind aufgewacht, und siehe, er ist so geizig nach Ruhm, daß es ihn verdrießt, daß es gleichgiltige Dinge gibt, die nicht schänden und nicht ehren. Er wünscht entweder, daß Essen Ruhm wäre, oder daß er gar nichts äße. Was nicht Ehre bringt, glaubt er, bringt Schande, das ist sein Unglück.

ERZBISCHOF. In der Tat ein unruhiger gefährlicher Charakter!

FÜRST. Noch gefährlicher, weil er neben Julius steht – Ehe der als ein Kind wußte, was Liebe ist – hatte er schon ihren[1546] schmachtenden Blick, von jeher war sein größtes Vergnügen, in der Einsamkeit zu träumen.

In ein so vorbereitetes Herz kam die Liebe früh, aber ebensowenig unerwartet, als ein Hausvater in seine Wohnung – Nun stelle diese Charaktere nebeneinander.

ERZBISCHOF. Bruder, das, was du eben da schilderst, und für den besondern Charakter deiner Söhne hältst, ist der allgemeine der Jugend. Es gibt keinen Jüngling von Hoffnung, der nicht einem deiner Söhne gliche. Laß nur erst das wilde Feuer der Jugend verlodern.

FÜRST. Ehe das geschieht, kann vieles verderben. Als wenn das Feuer so stille verlodern würde, ohn etwas zu ergreifen! Wie fürcht ich die romanhaften langsamen Entschlüsse des einen, und das Unüberlegte des andern.

Seitdem ich Blankan ins Kloster bringen ließ, gefällt mir Julius noch weniger, als sonst – und mußt ich nicht diesen Schritt tun? war sie nicht zu tief unter seinem Stande? Erstickte nicht diese Leidenschaft jeden Trieb in ihm zu dem, was groß und wichtig ist?

ERZBISCHOF. Verschlimmert ist doch dadurch auch nichts.

FÜRST. Gefällt dir denn das nächtliche Irren im Garten und das Verschließen bei Tage? Hast du nicht bemerkt, wie er alles anstarrt, zu allem lächelt, und antwortet wie einer, dessen Seele weit weg ist?

ERZBISCHOF. Wenn aber die Sache auch nicht so stände, so verlohnt' es der Mühe nicht, daß man davon spräche. Das, wodurch sie am gefährlichsten scheint, ist, daß sie beide ebendasselbe Mädchen lieben. Aber, glaube mir, Bruder, Guidos Liebe ist keine wahre Liebe, bloß ein Kind seines Ehrgeizes, und sie hat keinen Zug, der nicht ihren Vater verriete.

FÜRST. Richtig – aber das macht die Sache nicht besser. Ich weiß, er verachtet die Weiber, und seine Liebe an sich mag ein sehr unbedeutendes Ding sein, und wenn bloß sie auf Julius' Liebe träfe, dann Bruder könnten wir sicher schlafen; das hieße ein Kind gegen einen Riesen gestellt, und die werden nicht kämpfen.

Aber darin liegt das Schlimme, daß Guidos Ehrgeiz mit Julius' Liebe zusammenstößt, Riese gegen Riese, von denen keiner ein Quentin Kraft mehr oder weniger hat, als der andere; und das gibt hartnäckige, gefährliche Gefechte.

ERZBISCHOF. Was meinst du denn, was bei der Sache zu tun sei?[1547]

FÜRST. Mein Plan ist dieser – Guido liebt Blankan bloß aus ehrgeiziger Eifersucht, weil sie Julius liebt. Es käme also nur darauf an, diesen auf einen andern Gegenstand zu lenken – Guido hörte alsdenn von selbst auf.

ERZBISCHOF. Und wer soll dieser andre Gegenstand sein?

FÜRST. Cäcilia – ich habe sie deswegen eben zu mir rufen lassen, und wie mich deucht, hab ich nicht übel gewählt. Ich muß mich wundern, daß der Jüngling nicht schon längst diesen Plan selbst gemacht hat. Eine solche Schönheit täglich zu sehen –

ERZBISCHOF. Wenn er erst das täte! – Weißt du denn nicht, daß es Liebenden Meineid ist, eine fremde Schönheit zu sehen? Wenn nur ein andres lebhaftes Bild in ihrem Gehirn aufsteigt, so glauben sie schon, ihr Herz sei entweiht. Und nimm dich in acht, daß er nicht merke, daß jemand einen solchen Plan hat, viel weniger, daß du ihn hast. Sein Vertrauen, in Absicht der Liebe, hast du verloren, und verliert man das einmal, gewinnt man's nie wieder.

FÜRST. Ich werde mich hüten, und Cäciliens jungfräuliche Bescheidenheit ist mir für das übrige Bürge – Glaubst du wirklich, Bruder, daß ich auf diesem Wege die väterlichen Freuden wiederfinden werde?

ERZBISCHOF. So gewiß, als ich etwas glaube.

FÜRST. Und wie sehr würden sie erhöht werden, wenn Cäcilia meine Tochter würde – zu den häuslichen Freuden eines Greises gehören durchaus Weiber, ihr sanfter Ton stimmt so gut in seinen gedämpften, und rasche Jünglinge und Männer sind doch in seiner Einsamkeit nie recht zu Hause.

ERZBISCHOF. Siehe, da kömmt Cäcilia – ich werd euch allein lassen. Sie wird schon ohne mich rot werden. Geht ab.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1546-1548.
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