Siebenter Auftritt

[1548] Fürst. Cäcilia.


FÜRST. Guten Morgen, Cäcilia – setz dich zu mir.

CÄCILIA. Erlauben Sie, lieber Vater und Oheim, daß ich Ihnen erst zu Ihrem Fest Glück wünsche.


Küßt ihm die Hand.


FÜRST. Ich danke dir, liebe Tochter – Setze dich – Aber bedenkst du es, daß du mir zu einem neuen Grade meiner Schwachheit Glück wünschest? Ich fühl es, Cäcilia, ich fühl es, daß ich alt[1548] werde. Der rosenfarbne Glanz, in dem du noch alle Dinge siehst, ist für mich verbleicht.

Ich lebe nicht mehr, ich atme nur, und das bloße Dasein, ohne die Reize des Lebens, ist das einzige Band zwischen mir und der Welt.

CÄCILIA. Sie halten sich auch für schwächer, als Sie sind.

FÜRST. Ich fühle mich – Unmittelbar empfind ich nichts mehr. Nur ein Kanal ist noch übrig, durch den sich Süßes und Bittres in mein Herz ergießen kann – das sind meine Kinder.

CÄCILIA. Und Sie sagten, Sie empfänden nichts mehr! Warum stellen sich doch die Reichen so gern arm! Was haben Sie nicht schon für eine Quelle von Vergnügen, das aus der Betrachtung eines schönen Charakters fließt. Ihre Kinder zusammengenommen, sind beinahe ein Ideal der männlichen Vollkommenheit. Das Sanfte Ihres Julius –

FÜRST. Meinst du das im Ernste, Cäcilia? – aber auf die Art gewährt mir die weibliche Vollkommenheit dasselbe Vergnügen. – Auch du bist meine Tochter.

CÄCILIA. Wenn Sie nicht scherzen, so zeigen Sie in Absicht meiner, wie die väterliche Liebe, auch die väterliche Eitelkeit.

FÜRST. Wenn nun meine Kinder der einzige Kanal sind, durch den mir Freuden zufließen können, ist es denn ein Wunder, wenn ich alle in denselben zu leiten suche, und ist die Liebe nicht die größte Wonne des Lebens? – Nicht wie Ruhm und Reichtum, eine Gabe aus den oft schmutzigen Händen der Menschen; nein, ein Geschenk, das die Natur nicht bei ihnen in Verwahrung gab, das sie jedem mit eigner Hand erteilt. Die Liebe des Paars, das heut am Altar steht, ist wie die Liebe unserer ersten Eltern im Paradiese. – Siehe Cäcilia, an seinem sechsundsiebenzigsten Geburtstage redet ein Greis mit Entzücken von der Liebe.

CÄCILIA. Ein Zeichen, daß er tugendhaft liebte.

FÜRST. Aber ich verliere meinen Faden – der Strahl der Liebe selbst ist für mein schwaches Herz zu stark, bloß sein Widerschein von meinen Kindern ist für mich – Mädchen, Julius hat ein Herz – nicht seine glänzenden Handlungen, seine Verirrungen sollen zeugen.

CÄCILIA. Ich weiß es zu schätzen.

FÜRST. Weißt du, weißt du wirklich? Wär er durch die Liebe glücklich! Gäb er mir eine Tochter! Was ist einem Greise lieber,[1549] als die weibliche Sorgfalt einer Tochter! Hätte Julius eine Gattin! –

CÄCILIA. Sie sollte meine erste Freundin sein.

FÜRST. Was für einen Wert könnte sie diesem Reste des Lebens geben, an dessen Ende ich aus ihren Armen unvermerkt in die Arme eines andern Engels gleiten würde – und dieses Weib mußt du sein, Cäcilia!

CÄCILIA. Ich bitte Sie, Herr Oheim!

FÜRST. Itzt noch keine Erklärung, Mädchen – ich weiß, was mir deine jungfräuliche Bescheidenheit für eine geben müßte, und mit der Zeit – – Verstehst du, keine Erklärung!

CÄCILIA. Bin ich nicht schon Ihre Tochter? und ich will es bleiben, Sie nie verlassen, alles was Ihnen Vergnügen machen kann, schon von ferne ausspähen, immer um Sie sein, wenn mich Ihr Vergnügen nicht selbst abruft, aber –

FÜRST. Itzt keine Erklärung – allein wenn du mir an meinem künftigen Geburtstage Glück wünschest, vielleicht im Namen eines Enkels Glück wünschest, so denk an diese Unterredung. Hörst du, Cäcilia, an diese Unterredung sollst du denken! Komm, das Frühstück wartet auf uns – Deine Hand – Er führt sie ab.

Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1548-1550.
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