Erster Auftritt

[1562] Der Fürst. Cäcilia. Julius. Guido. Der Erzbischof.

Hofleute beiderlei Geschlechts in Gala, unter ihnen Aspermonte. – Alle sind schon gegenwärtig, der Fürst sitzt mit bedecktem Haupt auf einem Sessel, neben ihm stehen seine Söhne und sein Bruder, die andern im halben Zirkel.


FÜRST steht auf und tritt mit entblößtem Haupte in die Mitte der Versammlung. Ich dank euch, meine Freunde, ich dank euch. Wahrscheinlich feir ich heute meinen Geburtstag als Fürst zum letztenmal. –


Pause.


Ich gehöre nicht zu den Greisen, die nicht wissen, daß sie alt sind; und wenn mich auch der Tod nicht ruft, so denk ich doch in kurzem den Hirtenstab meinem Sonn zu geben. Meine Sonne ist schon untergegangen, und ich wollte so gern in der kühlen Dämmerung mit Ruhe das lange Tagwerk noch einmal überschauen. Ich hoffe, mein Gewissen wird mir nichts Unangenehmes zeigen. Freilich ist der Rand des Grabes der[1562] rechte Standpunkt zu dieser Übersicht. Jede Nation sollte eine Geschichte der letzten Augenblicke ihrer Fürsten unter den Reichskleinodien aufbewahren. Sie sollte immer offen vor dem Throne liegen; da sehe der Regent das Zittern des Tyrannen, der es zum ersten Male empfindet, daß er ein Untertan ist; aber er sehe auch die Ruhe des guten Fürsten, und bezeuge durch eine gute Tat, daß er sie gesehen habe. Was ihr auch erblicken werdet, meine Kinder, so sollt ihr an meinem Sterbebett gegenwärtig sein. Ich hoffe, ihr sollt nicht erschrecken.

EIN ALTER BAUER der einen Blumenkranz in der Hand hat, und sich durch die Hofleute drängt. Das werden sie nicht, wahrhaftig, das werden sie nicht!

Gnädiger Herr, ich bin ein Bauer aus Ihrem Dorfe Ostiala. Die Gemeine schickt Ihnen den Kranz zum Zeichen ihrer Liebe. Wir können Ihnen nichts Bessers schenken, denn wir sind so arm, daß wir verhungert wären, wenn Sie es gemacht hätten wie Ihr Vater.

FÜRST gibt ihm die Hand. O daß die Blumen so lange frisch bleiben, bis ich sterbe. Ich wollte sie über mein Bett aufhängen lassen! – Ihr Duft wär doch wohl Erquickung für einen Sterbenden. – Nimm den Kranz, Julius, er gehört auch unter die Reichskleinodien.

DER BAUER zu Julius. Ja, Prinz, machen Sie es wie Ihr Vater, und mein Sohn soll Ihnen auch so einen Kranz bringen.

JULIUS weint und umarmt den Bauer. Dein Enkel noch nicht, guter Mann.

DER BAUER. Gnädiger Herr, Gott erhalte Sie und Ihr Haus.

FÜRST. Nein, Freund, ohne Geschenk kannst du nicht von mir.

DER BAUER indem er abgeht. Nicht doch, gnädiger Herr, da würde ja aus dem ganzen ernsthaften Wesen ein Puppenspiel.

FÜRST. Mein Herz ist so voll – Gibt ein Zeichen, die Hofleute gehn ab. Meine Kinder, bleibt hier.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1562-1563.
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