[876] »Mein guter Degen, wie du voll Verdruß
Im Winkel ruhst, schier wie der Hecht im Dürren;
Du Eisenfisch, sollst bald vor Freude schwirren
Und lustig tanzen mir im roten Fluß.
Ei! Rößlein feurig, tummelnd auf der Weide,
Sollst glänzen bald im blanken Harnischkleide,
Zum Sporenhieb und Klange der Drommeten
Den schönen Kampfritt über Leichen treten.«
Schon reitet er bewaffnet, kreuzgeschmückt,
Der Fahne nach, die dort zu Felde rückt.
Wie Otto von Burgund und all die Edeln
Der Kirche schmeichelnd mit dem Banner wedeln!
Wie rasch doch Fürsten ihre Fahnen schwingen,
Wenn es der Freiheit gilt den Tod zu bringen!
Es gilt den auferstehenden Gedanken,
Von dessen Tritt die sieben Hügel schwanken,
Den Starken gilts zum Tod zu ringen nieder,
Den Riesen mit den rauschenden Gewändern,
Der seines Leibes unermeßne Glieder
Zugleich erhebt in weitentlegnen Ländern. –
Was soll der Rößlein Wiehern hier und Springen?
Was wollen hier die ausgereckten Klingen?
O Fürsten übermütig, wahnverloren,
Blickt auf zur Nacht, wenn ihre Sterne flammen,
Und schaut den Feind, dem ihr den Tod geschworen,
Und zittert schaudernd in euch selbst zusammen!
Gedanke heißt der Heilige, der Held,
Der im Urkampf ersiegt dies weite Feld;
Er hat getaucht die Sterne in sein Licht,
Er gab den Stand den Sternen und die Flucht,[876]
Hält ewig fest die strenge Sternenzucht;
Sein ist die ganze Welt und ihr Gericht.
Ihn wollt ihr hemmen, wenn er sichtbar werden
In menschlicher Gestaltung will auf Erden?
Haut alle grünen Sprossen ab zur Stunde,
Reißt alle Wurzeln aus dem Muttergrunde
Und schießt die Vögel aus den Lüften nieder,
Wenn ihr das Grünen hasset und die Lieder,
Ihr könnt den Drang nicht hemmen und nicht stillen,
Den unaufhaltsam starken Frühlingswillen.
O glaubet, Fürsten, minder noch zu zwingen
Ist der Gedanke je mit euren Waffen,
Wenn er der Menschheit will die Freiheit schaffen
Und will durch die Geschichte blühn und singen.
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Die Albigenser
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