Dritte Szene


[286] Strombolo. Die Vorigen.


STROMBOLO. Ich muß wohl zu Ihnen kommen, wenn Sie nicht zu mir kommen. Ganz böse sich stellend. Was zum Kuckuck stellen Sie denn an? Man sieht Sie ja den ganzen langen lieben Tag nicht.

STREPHON ganz schüchtern. Herr Strombolo! ein naher Blutsfreund, der von Ceuta angekommen ist Auf Aristen deutend.

STROMBOLO Aristen gleichgültig ansehend. Den Herren hätten Sie ja zu mir bringen können. Wissen Sie was, es ist ein so schöner Tag heut, wir wollen einen Spaziergang um die Wälle der Stadt machen.

STREPHON. Ich weiß nicht, ob mein Vetter – er reist heut abend noch fort.

STROMBOLO. Desto besser, so nimmt er eine Idee von unserer Stadt mit.

ARIST. Mein Herr, ich reise in sein Vaterland und möchte ihn selbst gern mitnehmen, wenn es möglich wäre. Er ist aber hier so verschuldet, daß, da mir selbst das Reisegeld schmal zugeschnitten – Sie sind einer seiner besten Freunde, wie ich höre.

STROMBOLO. Es würde mir leid tun, ihn hier zu verlieren. Ich weiß auch nicht, warum er so nach Hause eilen sollte, wenn er etwa nicht selbst einen Beruf dazu spürt. Sollte ihm unsere Stadt so übel gefallen? Einem Philosophen wie ihm muß jeder Ort gleich sein –

ARIST. Davon ist hier die Frage nicht. Nur die Mittel, sich zu erhalten.

STROMBOLO. Es fehlt Ihnen ja hier an Freunden nicht, Herr Strephon. Es kostet Ihnen nur ein Wort an Don Alvarez, so macht er Ihnen eine Bedienung aus –

ARIST. Wenn aber seine Empfindlichkeit, seine Unabhängigkeit, die Muße selber, die er zu seinem Studieren braucht –[286]

STROMBOLO. Ja man muß bisweilen in die saure Schale beißen, um auf den Kern zu kommen. Wissen Sie was, es ist gar zu schönes Wetter, Sie gehen so weit mit mir, als Sie kommen können.

ARIST. Ich wenigstens muß packen.

STROMBOLO. Nun so wünsch ich Ihnen denn recht viel Vergnügen.


Ab.


STREPHON. Du siehst, wohinter er sich verschanzt. Sobald ich ihm nur von weitem her etwas von meiner Not merken lasse, schlägt er mich mit einer Sentenz zu Boden, die er von mir selbst gehört hat. Er ist nur zuwohl von meinen Verbindungen mit Alvarez unterrichtet, und wie hart es den ankommt, etwas übriges zu tun. Übrigens weiß er, daß er gar keinen Einfluß in die öffentlichen Geschäfte allhier hat, und daß, sobald ich ihm die geringste Verbindlichkeit hätte, die Gleichheit, die unsere ganze Freundschaft unterhält, wegfallen und ich in einem Nu ihm unter den Füßen sein würde –

ARIST. Vetter – Vetter, kommt weg von hier – und solltet Ihr heimlich davon gehen. Wenn wir in Hamburg sind, will ich alles schon wieder gut machen. Ich laß Euch nun nicht mehr, ich schwöre es zu –

STREPHON ihn schnell an die Hand fassend. Halt inne – Vetter, muß denn nicht jeder bittere Erfahrungen in der Welt machen, um die Welt kennen zu lernen? Alle diese Leute – sind dennoch meine Freunde.

ARIST. Eure Freunde? – Ihr bringt mich außer mich – die über Euer artiges Benehmen lächeln, wenn Ihr auf der Folter liegt. Ich sah da eine große Rolle Papier aus seiner Tasche gucken, es war gewiß wieder ein nichtswürdiges Geschäfte für Euch, er hatte nur nicht das Herz, es wie jener junge Gelbschnabel Euch in meiner Gegenwart aufzutragen. Ist das freundschaftlich, einem Menschen, der von seinen Talenten leben [muß], seine Zeit und folglich sein letztes Hülfsmittel stehlen? und das – wofür?[287]

STREPHON. Ach nehmen wir, was wir bekommen können, oder wählen uns die Bären zu Gesellschaftern! Ich bin ein Fremder, ich habe keinen Umgang, keine andere Mittel, dieses Land und seine Sitten kennen zu lernen, und jeder dieser Leute vermehrt meine innere Konsistenz durch das, was er mir entzieht. Ich suche denn nach in mir, ob ich nicht noch etwas habe, das sie mir nicht entziehen können, und das gibt mir einen gewissen Stolz, der mich über sie hinaussetzt und mein Herz wieder ruhig macht.

ARIST. Wo will das aber hinaus, Mensch? – da läuft jemand die Treppe herauf, vielleicht bringt er dir irgendeine angenehme Nachricht.

STREPHON der aus dem Fenster gesehen. Es ist dieselbige Seele unter einer andern Haut. Da sollst du sehen, wie sinnreich die Natur in Hervorbringung der verschiedenen Wesen ist, die uns zu peinigen bestimmt sind.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 286-288.
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