Zweite Szene


[283] Man pocht stark an. Dorantino tritt herein, den Hut in die Stirn gedrückt.


STREPHON leise zu Arist. Da ist einer zum Anbiß.

DORANTINO bleibt mitten in der Stube stehen und winkt Strephon, ohne zu grüßen. Bßt! – Strephon! Gebieterisch. Strephon!

STREPHON geht ihm entgegen, etwas leise. Hast du mir was zu sagen? Du kannst es laut tun, der Herr ist kein Fremder.

DORANTINO komplimentiert Aristen übertrieben höflich. Vermutlich ein Landsmann von Herrn Strephon?

ARIST. Das bin ich, komm aber itzt von Algier und habe einen Umweg genommen, als ich hörte, daß er hier sei.

DORANTINO. Reisen also itzt nach Hamburg?

ARIST. Ja, und wünschte ihn mitzunehmen, wenn's möglich wäre.

DORANTINO. Das sollte mir herzlich lieb sein – so ungern ich ihn hier verlöre.

STREPHON. Was hattst du mir zu sagen, Dorantino? Du brauchst dich nicht zu gewahrsamen, mein Vetter weiß um all meine Geheimnisse.

DORANTINO kalt. Ich wollte nur – wegen Rosalinden – du weißt wohl – sie hat mir die Verse zurückgegeben Lächelt. sie verstünde sie nicht, sagte sie.

STREPHON etwas betreten. Ich will dir andere machen.

DORANTINO. Darum hab ich dich bitten wollen. Du weißt wohl, ich kann mich mit solchen Sachen nicht abgeben, sonst schmiert ich in der Geschwindigkeit selbst was – denn, wie gesagt, es braucht gar keine Gelehrsamkeit oder allzuviel Witz drin zu sein, wenn du ihr nur auf eine ziemlich handgreifliche Art ein paar Schmeicheleien – doch du wirst schon selber wissen, wie du das einzurichten hast. Strephon, der mittlerweil ans Fenster[283] getreten ist, nachgehend. Hör noch was, die Clelia, was meinst du, hat sich gestern bei meinem Vater beschwert – daß ich's nicht vergesse, diese Nacht gehen wir doch und bringen ihr eine Katzenmusik?

STREPHON aus dem Fenster sehend. Es ist naß und kalt, und der Spaß lohnt der Mühe nicht.

DORANTINO. Ja, wenn du nicht mitgehst, geh ich auch nicht hin. Es ist alles darauf eingerichtet, Bruder! die Musikanten sind bestellt, wir wollen ein wenig lachen, es soll dir nichts kosten, wenn's hoch kommt, gehen wir hernach zu Longchamps herauf und leeren etwa eine Bowle Punsch mit einander. Ja so, wie steht's mit deinen Finanzen, hast du Nachrichten von deinem Vater?

STREPHON. Es wird Regen geben auf die Nacht.

DORANTINO. Ja du bist zu gut, liebes Kind. Zu Arist. Sagen Sie selbst, mein Herr, in sieben Jahren ihm kein Geld zu schicken, bloß weil er seine Talente nicht zu Hause im Schweißtuch hat vergraben wollen. Sie müssen ihm das vorstellen – Hör, komm morgen doch zum Strombolo, er ist recht böse auf dich, morgen um neune, genau, ich habe dir was Wichtiges zu sagen, aber um neune, verstehst du mich? Heimlich. Und da bringst du mir auch die Schrift mit an den Corregidor – du weißt wohl – ich muß itzt aufs Rathaus, ein Pinsel hat mich verklagt, daß ich ihm eine Schuld zweimal abgefodert, du weißt die Historie mit Bromio, mit dem Bolognoserhündchen. Also morgen beim Strombolo.


Geht ab.


STREPHON. Solltest du nicht aus dieses Menschen Benehmen schließen, er sei einer meiner ersten Wohltäter in Cadiz? Und alle seine Liebesdienste erstrecken sich auf zehn Realen, die er mir einmal im Notfalle vorschoß und ich ihm zu acht Prozent wieder bezahlte. Seit der Zeit sind wir in dem Klienten- und Patron-Tone verblieben, er hat Aufträge ohne Ende an mich, beleidigt meinen Geschmack und Gefühlszärtlichkeit so unaufhörlich, daß[284] ich kein ander Mittel vor mir sehe, mich seiner einmal zu entledigen, als daß ich Händel mit ihm anfange.

ARIST. Wer ist denn der Strombolo? und warum ist der böse auf dich?

STREPHON. Auch einer von meinen Folterern. Ich ging sonst täglich nach dem Essen zu ihm und half ihm durch meine Gespräche verdauen. Er ist ein Mann, der die Welt kennt, und von dem ich immer lernen konnte, mittlerweil ich ihm die Zeit vertrieb. Das hat nun seit einigen Tagen nicht geschehen können, weil mich meine Gläubiger ins Gefängnis stecken wollten und ich, dem äußersten Elend zuvorzukommen, meinem einzigen Patron allhier, dem Don Alvarez, für funfzehn Realen dreißig geheime Briefe abschrieb.

ARIST. Das ist der granadische Edelmann, der nicht lesen noch schreiben kann.

STREPHON. Der beste unter allen meinen Freunden, der einzige, der es einsieht, daß ich ihm nützlich bin, und mich dafür belohnt. Mit der Hälfte dieser funfzehn Realen bewirtete ich meinen vornehmsten Gläubiger und machte ihm durch tausend Maschinereien meines Witzes begreiflich, daß es wohl sein Vorteil sein könnte, wenn er mir seine zwanzig Realen noch auf einen Monat stehen ließe.

ARIST. Und warum kehrst du nicht nach Hause zu rück, Unglücklicher? – Ist's deinem Vater zu verdenken, daß er dich im Elende untersinken läßt, wenn dein Eigensinn –


Da Strephon auf einen Stuhl niedersinkt, hält er inne.


STREPHON. Mehr – mehr Vetter – ich verdiene mehr –

ARIST. Was hält dich – deine Freunde? die dich verderben lassen? denen du das Herz nicht einmal hast, dich zu entdecken?

STREPHON. Freilich – mein Stolz – meine Freiheit – Springt auf. Gott da kommt Strombolo.[285]


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 283-286.
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