An die Nachtigall

O Philomele,

Sing immer zu!

Du siehst, ich quäle

Mich mehr als du.


Es floh der meine

Wie deiner floh,

Und wie der deine,

So liebt' er, – so! –


Nur wenig Tage

Währt dein Gesang,

Doch meine Klage

Währt lebenslang.


Nach kurzer Weile

Suchst fremde Luft:

Und ich – ich eile

Zur dunkeln Gruft.


Im schönen Lenze

Kommt wieder dir

Von ferner Grenze

Dein Liebchen hier.


Und neue Freude

Bringt dir das Jahr,

Ich lieb' – und leide

Ach immerdar!

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gesammelte Schriften, Band 2: Gedichte, Berlin 1909, S. 14.
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