V. Auf einen Sieger im Ballonspiel.

[46] (1824.)


Des Ruhmes Antlitz, seinen frohen Ruf

Erkenne, wackrer Knabe,

Und wie viel herrlicher als weibische Muße

Der Schweiß der Tugend. Labe dich, o labe

Dein Herz am Hochsinn (fühlst du den Beruf,

Den Namen aus der Zeiten trübem Flusse

Durch edle That zu retten) und erhebe

Den Geist zu stolzem Wunsch. Dir jauchzte freudig

Kampfbahn und Circus, und zu Heldentugend

Spornt dich des Volkes Gunst. Es will das theure

Land deiner Väter, stolz auf deine Jugend,

In deinem edlen Streben

Die alten Muster sehn sich neu beleben.


Nicht mit Barbarenblut bei Marathon

Färbte sich nur den Finger,

Wer stumpfen Blicks in Elis auf die Glut

Der Rennbahn schaut' und auf die nackten Ringer,

Und wem des Kranzes holder Siegeslohn

Das Herz nicht hob. In des Alpheus Flut

Wusch sieggekrönter Rosse Mähn und Weichen

Vom Staube Mancher rein, der dann mit Macht

Das Griechenbanner und das Griechenschwert

Führt' in der Meder Reih'n, die schreckensbleichen,

Und in die Flucht sie schlug, daß durch die Nacht

Der Jammerruf erklang

An Euphrats Bucht und Asiens Strand entlang,


Doch ist's nicht fruchtlos, den erloschnen Brand

Der alten Thatenlust

Neu anzufachen? die darniederlagen,

Die Lebensgeister in der kranken Brust

Neu zu beleben? War nicht Spiel und Tand[47]

Das Thun der Sterblichen, seit Phöbus' Wagen

Trübselig hinrollt, und ist minder eitel

Wahrheit, als Lüge? Gab uns doch Natur

Zum Trost nur holden Wahn, der uns beglückt,

Und Schattenbilder. Wo des Siegers Scheitel

Kein Kranz zum Lohn des kühnen Wagens schmückt,

Lebt trägt und dumpf umnachtet

Ein Volk, das einst dem Ruhme nachgetrachtet,


Wer weiß wie bald wird auf den Trümmerstätten

Italischen Ruhms der Hirt

Die Rinder weiden und der Pflug die Gipfel

Der sieben Hügel furchen. Bauen wird

Nach kurzen Jahren schon in Latiums Städten

Der schlaue Fuchs und mit dem dunklen Wipfel

Ein Hochwald rauschen zwischen öden Mauern,

Wenn das Geschick nicht jener unheilvollen

Vergessenheit des Vaterlandes steuert

Im tief verkommnen Volk, wenn nicht mit Trauern

Gedenkend, welch ein Muth uns einst befeuert,

Der Himmel noch in Gnaden

Dem dräu'nden Unheil wehrt sich zu entladen.


Willst überleben du das arme Land,

O Sohn, das dich geboren?

Wohl hätte dich Italiens Ruhm verklärt,

Als sie den Reif noch trug, den sie verloren

Durch uns und das Geschick. Die Zeit entschwand.

Wen dünkt heut solche Mutter rühmenswerth?

Doch dir zu Liebe richt empor den Muth!

Was ist dies Leben werth? Daß wir's verachten,

Nur glücklich, wenn, umgeben von Gefahren,

Wir es vergessen, nicht die träge Flut

Der faulen Zeit und ihre Noth gewahren;

Nur glücklich, wer, schon nah

Dem Lethestrom, das Licht noch wiedersah.

Quelle:
Leopardi, Giacomo: Gedichte und Prosaschriften. Berlin 1889, S. 46-48.
Lizenz:
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Gesänge
Canti e Frammenti /Gesänge und Fragmente: Ital. /Dt.
Canti /Gesänge
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