[180] Der ländliche Graf war noch viel häßlicher als der städtische und so furchtbar verwachsen und verroht, daß er es auch selbst fühlte. Er hatte aber niemand, der sein Äußeres in Stand halten könnte: seinen eigenen Friseur hatte er aus lauter Geiz gegen Zins nach Moskau entlassen; auch hatte er so viele Höcker im Gesicht, daß man ihn unmöglich rasieren konnte, ohne ihm die ganze Haut zu zerschinden.
Er kommt also nach Orjol, beruft zu sich alle Barbiere der Stadt und sagt ihnen:
»Wer von euch mich so herrichten kann, daß ich meinem Bruder, dem Grafen Kamenskij gleiche, bekommt zwei Dukaten. Für denjenigen aber, der mich dabei schneidet, lege ich zwei Pistolen auf den Tisch. Wer seine Sache gut macht, kann das Gold nehmen und gehen; wer mir aber auch nur ein Pickelchen verletzt oder den Backenbart auch nur um ein Haar verschneidet, den töte ich auf der Stelle.«
Er wollte den Leuten nur Angst machen, denn die Pistolen waren gar nicht geladen.
In Orjol gab es damals nur sehr wenig Barbiere, und diese hielten sich meistens in den Bädern auf, um Schröpfköpfe und Blutegel anzusetzen, hatten aber weder Geschmack noch Phantasie. Das sahen sie auch selbst ein und weigerten sich, den Grafen Kamenskij umzuwandeln. »Gott sei mit dir und deinem Gold!« dachten sie sich.[180]
»Was Sie von uns verlangen,« sagen sie ihm, »können wir gar nicht machen, denn wir sind nicht wert, eine so erhabene Person auch nur anzurühren. Uns fehlen auch die richtigen Rasiermesser: wir haben nur gewöhnliche russische Messer, für Ihr Gesicht braucht man aber ein englisches. Nur des Grafen Barbier Arkadij allein könnte so was fertig bringen.«
Der Graf läßt die städtischen Barbiere hinauswerfen, und diese sind froh, daß sie mit heiler Haut davongekommen sind. Er selbst aber fährt zu seinem älteren Bruder und sagt:
»Lieber Bruder, ich komme zu dir mit einer großen Bitte: überlasse mir vor dem Abend deinen Arkadij, damit er mich in einen ordentlichen Zustand bringt. Ich habe mich schon lange nicht rasieren lassen, und die hiesigen Barbiere können das nicht machen.«
Und der Graf antwortet seinem Bruder:
»Die hiesigen Barbiere taugen selbstverständlich zum Teufel. Ich wußte gar nicht, daß es hier welche gibt: ich lasse selbst meine Hunde von eigenen Leuten scheren. Was aber deine Bitte betrifft, so verlangst du von mir etwas Unmögliches; denn ich habe den Eid geleistet, daß Arkadij, so lange ich lebe, keinen Menschen außer mir anrühren wird. Glaubst du denn, daß ich mein Wort vor meinem leibeigenen Sklaven brechen kann?«
Der andere antwortet:
»Warum denn nicht? Du hast es so angeordnet und kannst es auch selbst wieder abschaffen.«
Der ältere Graf sagt aber, daß er diese Ansicht sehr merkwürdig finde:
»Wenn ich das tue, was kann ich dann von meinen[181] Leuten verlangen? Arkadij weiß, daß ich es einmal so festgesetzt habe, und alle wissen es, dafür wird er auch viel besser als die anderen behandelt. Wenn er sich aber untersteht, seine Kunst auf jemand ändern anzuwenden, so muß ich ihn zu Tode prügeln und unter die Rekruten stecken.«
Der Bruder erwidert darauf:
»Du kannst ja nur das eine von beiden tun: ihn entweder zu Tode prügeln oder unter die Rekruten stecken; beides zugleich kannst du gar nicht machen.«
»Gut,« sagt der Ältere,»ich will deinen Wunsch erfüllen. Ich werde ihn aber nicht zu Tode, sondern nur halbtot prügeln und dann unter die Rekruten stecken.«
»Ist das dein letztes Wort, Bruder?«
»Ja, das allerletzte.«
»Ist das dein einziges Bedenken?«
»Ja, das einzige.«
»Dann ist es wunderschön; ich hatte schon geglaubt, daß dein leiblicher Bruder dir weniger wert ist als ein leibeigener Sklave. Du brauchst also deinen Befehl gar nicht aufzuheben, schick mir nur deinen Arkadij, damit er mir meinen Pudel schert. Das weitere ist aber schon meine Sache.«
Der Bruder konnte ihm diese Bitte nicht gut abschlagen.
»Gut,« sagte er, »deinen Pudel darf er wohl scheren.«
»Das ist alles, was ich brauche.«
Er drückte dem Bruder die Hand und fuhr heim.