[323] An den Herrn H.
Sie bekommen hier das Schreiben des Herrn Diderot über die Tauben und Stummen wieder zurück. Ein kurzsichtiger Dogmaticus, welcher sich für nichts mehr hütet, als an den auswendig gelernten Sätzen, welche sein System ausmachen,[323] zu zweifeln; wird eine Menge Irrtümer aus demselben zu klauben wissen. Diderot ist einer von den Weltweisen, welche sich mehr Mühe geben, Wolken zu machen, als zu zerstreuen. Überall wo sie ihre Augen hinfallen lassen, erzittern die Stüzen der bekanntesten Wahrheiten, und was man ganz nahe vor sich zu sehen glaubte, verlieret sich in eine ungewisse Ferne. Sie führen uns
In Gängen voll Nacht zum glänzenden Throne der Wahrheit:
wenn Schullehrer in Gängen voll eingebildeten Lichts zum düstern Throne der Lügen leiten. Gesetzt auch ein solcher Weltweise wage es, Meinungen zu bestreiten, die wir gebilliget haben. Der Schade ist klein. Seine Träume oder Wahrheiten, wie man sie nennen will, werden der Gesellschaft eben so wenig Schaden tun, als vielen Schaden ihr diejenigen tun, welche die Denkungsart aller Menschen unter das Joch der ihrigen bringen wollen – – Es geht ja ohnedem nicht an. Wie viel Höflichkeiten, wie viel Wein ließ es sich der Hr.** nicht gestern kosten, daß wir seine Verse eben so vortrefflich finden sollten, als er? – – Taten wir es? Ich bin etc. B** den 1751.
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