Siebenter Auftritt


[441] Valer. Laura.


VALER. Nun, Schwester, sage mir einmal, was ich von dir denken soll?

LAURA. Sage mir doch erst, was ich von deinem Lelio denken soll?

VALER. Du bist wirklich entschlossen, mit mir zu reisen?

LAURA. Wer es doch glaubte, daß Lelio kein Kompliment zu beantworten wisse! Ich kenn ihn besser. Wie viel schöne Sachen hat er mir nicht vorgesagt, wenn er mich dann und wann allein gefunden. Aber, Bruder, er soll mir sie gewiß nicht mehr allein sagen. Ich will ihn bald dazu bringen, daß er mir sie in deiner, und des Vaters Gegenwart, sagen soll. Daß er sich gegen diesen bisher verstellt, daran hat er sehr wohl getan. Er mußte sich seiner Gewogenheit versichern. Aber nun, sollte ich meinen, könnte er die Maske schon nach und nach ein wenig aufheben.

VALER. Ich erstaune! – –[441]

LAURA. Ich möchte doch wissen, worüber? Bin ich erstaunt, daß du seiner Schwester gefallen hast?

VALER. Das heißt, ich soll so billig sein, und auch nicht darüber erstaunen, daß du ihrem Bruder gefallen hast. Aber Leander – –

LAURA. Sage mir nur nichts von Leandern, ich bitte dich. Der sollte längst wissen, woran er wäre. Habe ich ihm nicht, seit einigen Tagen, alle seine Briefe unerbrochen wieder zurück geschickt?

VALER. Aber nur seit einigen Tagen.

LAURA. Spöttischer Bruder! – Könnte es dir denn aber unangenehm sein, wenn du mit der Familie des Lelio auf eine doppelte Art verbunden würdest?

VALER. Ich wette wie viel, daß du dich nicht deutlicher erklären kannst!

LAURA. Wette nicht; denn sieh, ob du nicht die Wette verloren hättest. – Ich weiß, woran ich mit dem Lelio bin. Er hat mir seine Liebe gestanden; mit mehr Lebhaftigkeit, mit mehr Zärtlichkeit, als es Leander jemals getan hat. Und weißt du denn nicht, wie wir Mädchen es machen? Wenn ich zu meinem Kaufmanne in das Gewölbe komme, ich versichre dich, ich kaufe niemals den Stoff, den ich zuerst behandelt habe. Und wollte der Kaufmann darüber verdrüßlich werden, so würde ich sagen: warum weisen Sie mir den nicht gleich zuerst, der mir am besten gefällt?

VALER. Der Kaufmann wird darüber nicht verdrüßlich werden, denn er weiß aus der Erfahrung, daß, wenn ihr euch lange und viel besonnen habt, ihr endlich doch auf das Schlechteste fallt; auf eine Farbe, auf ein Muster, das längst nicht mehr Mode gewesen. Und eher merkt ihr auch euren Selbstbetrug nicht, als bis ihr den Einkauf zu Hause mit Muße besehen habt. Wie sehr wünscht ihr euch alsdenn das, was ihr zuerst behandelt hattet!

LAURA. Du kannst ein Gleichnis vortrefflich ausführen. Willst du nicht so gut sein, und es nunmehr auch applizieren? Es liegt keine schlechte Anpreisung des Lelio darin. O, er soll es erfahren, wie sehr du ihm das Wort sprichst; er soll es heute noch erfahren. Lebe wohl, Bruder![442]

VALER. Ein Wort im Ernst, Schwester.

LAURA. Im Ernste? Bisher also hast du gescherzt? Ja, das laß ich gelten.

VALER. Höre, ich sage dir mit trocknen Worten: Lelio kann unmöglich der Deinige werden; glaube mir, er kann es unmöglich werden; unmöglich!

LAURA. Ha! ha! ha! Wenn ich nun nicht bald gehe, so wirst du mir vielleicht vertrauen, daß er schon verheiratet sei. Ha! ha! ha! Geht ab.

VALER. Närrisches Mädchen! – Ich habe es wahrhaftig nicht wagen dürfen, ihr von dem Anschlage des Herrn Solbist etwas zu sagen. Sie würde ihm bei dem Vater zuvorkommen; und alsdenn wäre alles aus. Wir müssen ihr wider ihren Willen dienen, wenn sie uns am Ende danken soll. – Da ist sie ja schon wieder.

LAURA kömmt ganz ernsthaft zurück. Bruder –

VALER. Nun, so ernsthaft?

LAURA. Unmöglich, hast du gesagt? Erkläre mir doch diese Unmöglichkeit.

VALER. Der Vater erwartet mich in dem Garten. Ich muß dir es also ganz kurz erklären. Unmöglich ist das, – was nicht möglich ist. Auf Wiedersehen, liebe Schwester. Geht ab.

LAURA. So? Ich bedanke mich! – Geduld! ich muß sehen, wie ich den Lelio zu sprechen bekomme. Geht ab.


Ende des ersten Aufzuges.[443]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 441-444.
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