Sechster Auftritt


[439] Laura. Die Vorigen.


LAURA. Ihnen nochmals danken, liebster Herr Vater, daß Sie so gütig sein wollen, mich meinem Bruder mit zu geben.

WUMSHÄTER. Laß nur gut sein! –

LAURA. Ihre väterliche Liebe ist meiner Bitte zuvor gekommen.

WUMSHÄTER. Schweig doch! –

LAURA. Wahrhaftig, ich habe Sie selbst darum ersuchen wollen.

WUMSHÄTER. Was gehts mich an?

LAURA. Nur wußte ich nicht, wie ich meine Bitte am behutsamsten vorbringen sollte. Ich fürchtete, –

WUMSHÄTER. Ich fürchte, daß ich mir noch die Schwindsucht über dein Plaudern an den Hals ärgern werde.

LAURA. Ich fürchtete, sag ich, Sie möchten meine Begierde, bei meinem Bruder zu leben, einer falschen Ursache beimessen. –

WUMSHÄTER. Bist du noch nicht fertig?

LAURA. Einem sträflichen Überdrusse vielleicht, länger bei Ihnen zu bleiben –

WUMSHÄTER. Ich werde dir das Maul zuhalten müssen.

LAURA. Aber ich versichere, – –

WUMSHÄTER. Nun, wahrhaftig, ein Pferd, das den Koller bekömmt, ist leichter aufzuhalten, als das Plappermaul eines solchen Nickels. – Du sollst wissen, daß ich nicht im geringsten dabei auf dich gesehen habe. Ich gebe dich dem Bruder mit, weil du dem Bruder die Haushaltung führen sollst, und weil ich dich los sein will. Ob es dir aber angenehm, oder unangenehm ist, das kann mir gleich viel gelten.

LAURA. Ich höre wohl, Herr Vater, daß Sie nur deswegen Ihre Wohltat so klein und zweideutig machen, um mich einer formellen Danksagung zu überheben. Ich schweige also – Aber du, mein lieber Bruder, –[439]

WUMSHÄTER. Ja, ja; sie schweigt, das ist: sie fängt mit einem andern an zu plaudern.

LAURA. Du wirst mich doch hoffentlich nicht ungern mit dir nehmen?

VALER. Liebe Schwester, – –

LAURA. Gut, gut; erspare nur deine Versicherungen. Ich weiß schon, daß du mich liebst. Wie vergnügt will ich in deinem Umgange sein, den ich so viele Jahre habe entbehren müssen.

VALER. Ich kann dir es unmöglich zumuten, eine geliebte Vaterstadt, wo du so viele Freunde und Verehrer hast, meinetwegen mit einem ganz unbekannten Orte zu vertauschen.

WUMSHÄTER. Aber ich mute es ihr zu! Ich will doch nicht hoffen, daß ihr mit einander komplimentiert?

LAURA. Hörst du? – – Und was willst du denn mit deiner ganz unbekannten Stadt? Werde ich dich nicht da haben? Wird nicht Lelio da sein? Werde ich nicht seine vortreffliche Schwester da finden? Zum Lelio. Erlauben Sie mir, mein Herr, –

WUMSHÄTER. Das dacht ich wohl, ihr Schnadern geht die Reihe herum.

LAURA. Erlauben Sie mir, sag ich, Ihre Schwester immer im voraus, als meine Freundin zu betrachten. Sie darf nur die Hälfte von den Vollkommenheiten ihres Bruders besitzen, wenn ich sie eben so sehr lieben soll, als ich diesen hochschätze.

WUMSHÄTER. Nu? ich glaube gar, du unterstehst dich, ehrlichen Leuten Schmeicheleien zu sagen? – Es tut mir leid, Herr Lelio, daß Sie das unbesonnene Ding schamrot machen soll.

VALER sachte zum Lelio. Antworten Sie ihr ja nicht zu verbindlich – –

LELIO. Liebenswürdige Laura, – –

VALER sachte zum Lelio. Nicht zu verbindlich, sage ich.

LELIO. Schönste Laura, – –

VALER sachte zum Lelio. Nehmen Sie sich in Acht! – –

LELIO. Madmoisell, – –[440]

WUMSHÄTER zur Laura. Da, sieh einmal, wie verwirrt du ihn gemacht hast. Aber es ist ein Zeichen seines Verstandes; denn je verständiger ein Mann ist, desto weniger kann er sich aus euerm Gickelgackel und Wischiwaschi nehmen. – Kommen Sie nur, Lelio, wir wollen lieber im Garten ein wenig auf und niedergehen, als bei dem Weibsbilde länger bleiben. Folge uns ja nicht nach! Aber du, Valer, kannst mitkommen. Lelio macht der Laura eine Verbeugung. Ei, was soll das? Sie werden sich doch wohl kein Gewissen machen, ihr ohne Referenz den Rücken zuzukehren? Laura erwidert die Verbeugung. Und dir, Mädel, sag ich, laß die Knickse bleiben, oder – – Das verwünschte Pack! Wenn die Zunge müde ist, so verfolgt es einen noch mit Grimassen.

VALER. Ich werde gleich nachkommen. Wumshäter und Lelio gehen ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 439-441.
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