Zweiter Auftritt


[461] Wumshäter. Die Vorigen.


WUMSHÄTER. Nun? Hast du dem armen Herrn Solbist die Augen ausgekratzt?

LISETTE. Wenn er nicht schon fort gewesen wäre, wer weiß was sie getan hätte.

WUMSHÄTER. O, ich will es wohl glauben, daß sie als eine wohlgeratene Tochter demjenigen alles Unglück anwünscht, der ihren rechtschaffenen Vater von zwei beschwerlichen Dingen auf einmal befreiet; von einem Weibsbilde und einem Prozesse. Aber du magst mir dieses Glück nun gönnen, oder nicht, so will ich es doch nicht länger entbehren. Du mußt Leanders Frau werden, oder meine Tochter zu sein aufhören.

LAURA. Dieses Oder ist hart! Gleichwohl nehme ich mir die Freiheit, Ihnen zu sagen, daß ich Ihren ersten Befehl vorziehe, und mit dem Bruder reisen will. Ich kann meinen Willen so geschwind nicht ändern, als Sie den Ihrigen. Oder hat man Sie etwa zu bereden gesucht, daß ich Leandern liebe?

WUMSHÄTER. Daran ist nicht gedacht worden; desto besser wenn du ihn nicht liebst! Mit der Liebe einer Weibsperson sind es zwar so bloße Narrenspossen, und lieben heißt bei euch nur weniger hassen. Ihr seid nicht im Stande jemanden zu lieben, als euch selbst. –

LISETTE fährt auf ihn los. Nein, mein Herr, das ist zu toll! Ihre Jungfer Tochter hat zwar Unrecht, daß sie den Mann von Ihrer Hand nicht annehmen will, aber müssen Sie deswegen das ganze Geschlecht lästern?

WUMSHÄTER. Hu! – Nun ist es Zeit, daß ich geh. Ich will lieber zwischen zwei Mühlräder, als zwischen zwei Weibsbilder kommen. Schweig, ich bitte dich, schweig! Sie kann sich allein genug verantworten.[461]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 461-462.
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