[589] Raps, in einer fremden und seltsamen Kleidung. Anselmo.
RAPS. Man muß allerlei Personen spielen können. Den möchte ich doch sehen, der in diesem Aufzuge den Trommelschläger Raps erkennen sollte? Ich seh aus, ich weiß selber nicht wie; und soll – – ich weiß selber nicht was? Eine närrische Kommission! Närrisch immerhin: genug, daß man mich bezahlt. – – Hier in dieser Gasse, hat mir Staleno gesagt, soll ich meinen Mann nur aufsuchen. Er wohnt nicht weit von seinem vorigen Hause; und das ist ja sein voriges Haus.
ANSELMO. Was ist das für ein Gespenste?
RAPS. Wie mich die Leute ansehen!
ANSELMO. Diese Figur muß in das Geschlecht der Pilze gehören. Der Hut reicht auf allen Seiten eine halbe Elle über den Körper.
RAPS. Guter Vater, der Ihr mich so anguckt, seid Ihr weniger fremd hier, wie ich? – – Er will nicht hören. – – Mein Herr, der Sie auf dem Koffer hier sitzen, könnten Sie mich wohl allenfalls zurechte weisen? Ich suche einen jungen Menschen, Namens Lelio; und einen Kahlkopf von Ihrer Gattung, Namens Philto.
ANSELMO. Lelio? Philto? – Bei Seite. So heißt ja mein Sohn, und mein alter guter Freund. – –
RAPS. Wenn Sie mir die Wohnung dieser Leute zeigen können,[589] so werden Sie bei einem Manne Dank verdienen, der nicht ermangeln wird. Ihre Höflichkeit an allen vier Enden der Welt auszuposaunen; bei einem Reisenden, der siebenmal rund um die Welt gereiset ist: einmal zu Schiffe, zweimal auf der geschwinden Post, und viermal zu Fuße.
ANSELMO. Darf ich nicht wissen, mein Herr, wer Sie sind? wie Sie heißen? von wannen Sie kommen? was Sie bei genannten Personen zu suchen haben?
RAPS. Das heißt sehr viel auf einmal fragen. Worauf soll ich nun zuerst antworten? Wenn Sie mich jedes insbesondere, mit der gehörigen Art, fragen wollten, so möchte ich vielleicht darauf Bescheid erteilen. Denn ich bin gesprächig, mein Herr, sehr gesprächig. – – Bei Seite. Ich kann wenigstens meine Rolle mit ihm probieren.
ANSELMO. Nun wohl, mein Herr; lassen Sie uns bei dem Kürzesten anfangen. Wie ist Ihr Name?
RAPS. Bei dem Kürzesten? Mein Name? Gefehlt! weit gefehlt!
ANSELMO. Wie so?
RAPS. Ja, mein guter, lieber, alter Herr, ich muß Ihnen nur sagen, – – geben Sie wohl Achtung: – – – Wenn Sie ganz früh, ganz früh, so bald der Tag anfängt zu grauen, von meinem ersten Namen ausgehen, und gehen und gehen, so stark, wie Sie nur können: so wette ich, daß die Sonne doch schon untergegangen sein wird, ehe Sie nur den Anfangsbuchstaben von meinem letzten Namen zu sehen bekommen.
ANSELMO. Ei! so brauchte man ja wohl gar eine Laterne und einen Schnappsack zu Ihrem Namen?
RAPS. Nicht anders.
ANSELMO bei Seite. Der Kerl redt! – Aber was wollen Sie denn bei dem jungen Lelio, und bei dem alten Philto? Ohne Zweifel stehen Sie mit dem erstern in Verkehr? Lelio soll ein großer Kaufmann sein.
RAPS. Ein großer Kaufmann? daß ich nicht wüßte! Nein, mein Herr; ich habe bloß ein Paar Briefe bei ihm abzugeben.
ANSELMO. Ha! ha! Avisobriefe vielleicht von Waren, die an ihn abgegangen sind, oder so etwas.[590]
RAPS. Nicht so etwas. – Es sind Briefe, die mir sein Vater an ihn mitgegeben hat.
ANSELMO. Wer?
RAPS. Sein Vater.
ANSELMO. Des Lelio Vater?
RAPS. Ja, des Lelio Vater, der jetzt in der Fremde ist. – – Er ist mein guter Freund.
ANSELMO bei Seite. Je! das ist ja gar, mit Ehren zu melden, ein Betrieger. Warte, dich will ich kriegen. Ich soll ihm Briefe an meinen Sohn gegeben haben?
RAPS. Was meinen Sie, mein Herr?
ANSELMO. Nichts. – – Und so kennen Sie wohl den Vater des Lelio?
RAPS. Wenn ich ihn nicht kennte, würde ich wohl Briefe an seinen Sohn Lelio, und Briefe an seinen Freund Philto von ihm haben? – – Da, mein Herr, hier sehen Sie beide. – – Er ist mein Herzensfreund.
ANSELMO. Ihr Herzensfreund? – – Und wo war er denn, dieser Ihr Herzensfreund, als er Ihnen die Briefe gab?
RAPS. Er war – – er war – – bei guter Gesundheit.
ANSELMO. Das ist mir von Herzen lieb. Aber wo war er denn? wo?
RAPS. Mein Herr, er war – – auf der Küste von Paphlagonien.
ANSELMO. Das gesteh ich! – – Daß Sie ihn kennen, haben Sie mir schon gesagt; aber es versteht sich doch wohl, von Person?
RAPS. Freilich von Person. – – Habe ich denn nicht so manche Flasche Kapwein mit ihm ausgestochen? und zwar auf dem Orte, wo er wächst. – Sie wissen wohl, mein Herr, auf dem Vorgebirge Kapua, wo sich in dem dreißigjährigen Kriege Hannibal so voll soff, daß er nicht vor Rom gehen konnte.
ANSELMO. Sie besitzen Gelehrsamkeit, wie ich höre.
RAPS. So etwas fürs Haus.
ANSELMO. Können Sie mir nicht sagen, wie er aussieht, des Lelio Vater?
RAPS. Wie er aussieht? – – Sie sind sehr neugierig. Doch ich[591] liebe die neugierigen Leute. – – Er ist ungefähr einen Kopf größer, als Sie.
ANSELMO bei Seite. Das geht gut! ich bin abwesend größer, als gegenwärtig. – Seinen Namen haben Sie mir noch nicht gesagt. Wie heißt er?
RAPS. Er heißt – – vollkommen wie ein ehrlicher Mann heißen soll.
ANSELMO. Ich möchte doch hören – –
RAPS. Er heißt – – er heißt nicht wie sein Sohn – – er würde aber besser getan haben, wenn er so hieße; – – sondern er heißt – – daß dich!
ANSELMO. Nun?
RAPS. Ich glaube, ich habe den Namen vergessen.
ANSELMO. Den Namen eines Freundes? – –
RAPS. Nur Geduld! jetzt läuft er mir auf der Zunge herum. Nennen Sie mir doch geschwind einen, der etwa so klingt. Er fängt sich auf ein A an.
ANSELMO. Arnolph vielleicht?
RAPS. Nicht Arnolph.
ANSELMO. Anton?
RAPS. Nicht Anton. Ans – Ansa – Ansi – – Asi – – Asinus. Nein, nicht Asinus, nicht Asinus – – Ein verzweifelter Namen! An – Ansel – –
ANSELMO. Anselmo doch wohl nicht?
RAPS. Recht! Anselmo. Daß der Henker den schurkischen Namen holte!
ANSELMO. Das ist nicht freundschaftlich gesprochen.
RAPS. Ei! warum bleibt er auch einem zwischen den Zähnen stecken. Ist das freundschaftlich, wenn man sich so lange suchen läßt? Dasmal will ich es ihm noch vergeben. – – Anselmo hieß er? nicht? – Ganz recht! Anselmo. Wie gesagt, das letztemal habe ich ihn auf der Küste von Paphlagonien gesprochen, und zwar in dem Hafen Gibraltar. Er wollte noch den Königen von Gallipoli einen kleinen Besuch abstatten. – –
ANSELMO. Den Königen von Gallipoli? Wer sind die?
RAPS. Wie, mein Herr! kennen Sie die berühmten Brüder nicht, welche über Gallipoli herrschen? die weltbekannten[592] Dardanellen? Sie reiseten vor einigen zwanzig Jahren in Europa herum; und da hat er sie kennen lernen.
ANSELMO bei Seite. Die Narrenspossen dauern zu lange. Ich muß der Pauke nur ein Loch machen, damit ich doch erfahre, woran ich bin.
RAPS. Der Hof der Dardanellen, mein Herr, ist einer von den prächtigsten in ganz Amerika, und ich weiß gewiß, mein Freund Anselmo wird daselbst sehr wohl empfangen worden sein. Er wird sobald auch nicht wieder wegkommen. Und eben deswegen, weil er dieses voraussahe, und weil er wußte, daß ich gerades Weges hieher reisen würde, gab er mir Briefe mit, um die Seinigen wegen seiner langen Abwesenheit zu beruhigen.
ANSELMO. Das war sehr wohl getan. – Aber eins muß ich doch noch fragen – –
RAPS. So viel als Ihnen beliebt.
ANSELMO. Wenn man Ihnen, mein sonderbarer Herr mit dem langen Namen –
RAPS. Lang ist mein Name, das ist wahr; aber ich führe auch einen ganz kleinen, welcher gleichsam die Quintessenz von dem langen ist.
ANSELMO. Darf ich ihn wissen?
RAPS. Raps!
ANSELMO. Raps?
RAPS. Ja, Raps; Ihnen zu dienen.
ANSELMO. Ich danke für Ihre Dienste, Herr Raps.
RAPS. Raps will eigentlich so viel sagen, als der Sohn des Rap. Rap aber hieß mein Vater; und mein Großvater Rip, von welchem sich denn mein Vater auch manchmal Rips zu nennen pflegte: so daß ich mich gar wohl, wenn ich mit meinen Ahnen prahlen wollte, Rips Raps nennen könnte.
ANSELMO. Nun wohl, Herr Rips Raps, – damit ich wieder auf meine Frage komme: – – Wenn man Ihnen Ihren Freund Anselmo jetzt zeigte, würden Sie ihn wohl wieder erkennen?
RAPS. Wenn ich meine Augen behielte, ohne Zweifel. Aber es scheint, als ob Sie es noch nicht glauben wollten, daß ich den Anselmo kenne. Hören Sie also einen Beweis über alle[593] Beweise. Nicht allein Briefe hat er mir mitgegeben, sondern auch sechstausend Taler, die ich dem Herrn Philto einhändigen soll. Würde er das wohl getan haben, wenn ich nicht sein ander Ich wäre?
ANSELMO. Sechstausend Taler?
RAPS. In lauter guten, vollwichtigen Dukaten.
ANSELMO bei Seite. Nun weiß ich fast nicht, was ich von dem Kerl denken soll. Ein Betrieger, der Geld bringt, das ist ja wohl ein sehr wunderbarer Betrieger.
RAPS. Aber, mein Herr, wir plaudern zu lange. Ich sehe wohl, daß Sie mir meine Leute entweder nicht weisen können, oder nicht wollen. – –
ANSELMO. Nur noch ein Wort! – – Haben Sie denn, Herr Raps, das Geld bei sich, das Ihnen Anselmo gegeben hat?
RAPS. Ja. Warum?
ANSELMO. Und es ist ganz gewiß, daß Ihnen Anselmo, des Lelio Vater, die sechstausend Taler gegeben hat?
RAPS. Ganz gewiß.
ANSELMO. Je nun! so geben Sie mir sie nur wieder, Herr Raps.
RAPS. Was soll ich Ihnen wieder geben?
ANSELMO. Die sechstausend Taler, die Sie von mir bekommen haben.
RAPS. Ich von Ihnen sechstausend Taler bekommen?
ANSELMO. Sie sagen es ja selbst.
RAPS. Was sag ich? – Sie sind – – Wer sind Sie denn?
ANSELMO. Ich bin eben der, der Herr Rapsen sechstausend Taler anvertrauet hat; ich bin Anselmo.
RAPS. Sie Anselmo?
ANSELMO. Kennen Sie mich nicht? Die Könige von Gallipoli, die weltberühmten Dardanellen, haben die Gnade gehabt, mich eher wieder von sich zu lassen, als ich vermutete. Und weil ich denn nun selbst da bin, so will ich dem Herrn Raps fernere Mühe ersparen.
RAPS bei Seite. Sollte man nicht schwören, der Mann wäre ein größrer Gauner, als ich selbst! – –
ANSELMO. Besinnen Sie sich nur nicht lange, und geben Sie mir das Geld wieder.
RAPS. Wer sollte es denken, daß ein alter Mann noch so fein[594] sein könnte! Sobald er hört, daß ich Geld bei mir habe: husch! ist er Anselmo. Aber, mein guter Vater, so geschwind Sie sich anselmisiert haben, so geschwind werden Sie sich auch wieder entanselmisieren müssen.
ANSELMO. Je nun! wer bin ich denn, wenn ich nicht der bin, der ich bin?
RAPS. Was geht das mich an? Sein Sie wer Sie wollen, wenn Sie nur nicht der sind, der ich nicht will, daß Sie sein sollen. Warum waren Sie denn nicht gleich Anfangs der, der Sie sind? Und warum wollen Sie denn nun der sein, der Sie nicht waren?
ANSELMO. O! so machen Sie doch nur fort – –
RAPS. Was soll ich machen?
ANSELMO. Mir mein Geld wieder geben.
RAPS. Machen Sie sich nur weiter keine Ungelegenheit. Ich habe gelogen. Das Geld ist nicht in vollwichtigen Dukaten; sondern es steht bloß auf dem Papiere.
ANSELMO. Bald werde ich mit dem Herrn aus einem andern Tone sprechen. – – Ihr sollt in allem Ernste wissen, Herr Rips Raps, daß ich Anselmo bin; und wenn Ihr mir nicht gleich die Briefe und das Geld einhändiget, das Ihr von mir bekommen zu haben vorgebt: so will ich gar bald so viel Leute zusammen rufen, als nötig sein wird, einen solchen Betrieger fest zu halten.
RAPS. Sie wissen also ganz ohnfehlbar, daß ich ein Betrieger bin? und Sie sind ganz ohnfehlbar Herr Anselmo? So habe ich denn die Ehre, mich dem Herrn Anselmo zu empfehlen. – –
ANSELMO. Du sollst so nicht wegkommen, guter Freund!
RAPS. O! ich bitte, mein Herr – – Indem ihn Anselmo halten will, stößt ihn Raps mit Gewalt von sich, daß er rücklings wieder auf den Koffer zu sitzen kömmt. Der alte Dieb könnte wenigstens einen Auflauf erregen. Ich will dir schon einen schicken, der dich besser kennen soll. Geht ab.
ANSELMO. Da sitze ich ja nun wieder? Wo ist er hin, der Spitzbube? Wo ist er hin? – – Ich sehe niemanden. – – Bin ich auf dem Koffer eingeschlafen, und hat mir das närrische Zeug geträumt, oder – – Den Henker mag es mir[595] geträumt haben! – – Ich armer Mann! Dahinter steckt ganz gewiß etwas; ganz gewiß steckt etwas dahinter! Und Maskarill? – – Maskarill kömmt auch nicht wieder? Auch das geht nicht richtig zu! auch das nicht! – Was soll ich anfangen? Ich will nur gleich den ersten den besten rufen – – He da, guter Freund, he da!
Ausgewählte Ausgaben von
Der Schatz
|
Buchempfehlung
Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.
78 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro