Fünfter Auftritt


[576] Maskarill. Lelio.


MASKARILL. Aber was wird denn nun das? So eine saure Miene pflegen Sie ja kaum zu machen, wenn Sie bei einem mißlichen Solo die Trümpfe nachzählen. – – Doch was wetten wir, ich weiß, was Sie denken? – – Es ist doch ein verdammter Streich, denken Sie, daß meine Schwester den reichen Leander nicht bekommen soll. Wie hätte ich den neuen Schwager rupfen wollen! – –

LELIO noch in Gedanken. Höre, Maskarill! – –

MASKARILL. Nun? – Aber denken kann ich Sie nicht hören; Sie müssen reden.

LELIO. – – Willst du wohl alle deine an mir verübte Betriegereien, durch eine einzige rechtschaffene Tat wieder gut machen?

MASKARILL. Eine seltsame Frage! Für was sehen Sie mich denn an? Für einen Betrieger, der ein rechtschaffner Mann ist, oder für einen rechtschaffnen Mann, der ein Betrieger ist?

LELIO. Mein lieber, ehrlicher Maskarill, ich sehe dich für einen Mann an, der mir wenigstens einige tausend Taler leihen könnte, wenn er mir so viel leihen wollte, als er mir gestohlen hat.

MASKARILL. Du lieber ehrlicher Maskarill! – – Und was wollten Sie mit diesen einigen tausend Talern machen?

LELIO. Sie meiner Schwester zur Aussteuer geben, und mich hernach – – vor den Kopf schießen.

MASKARILL. Sich vor den Kopf schießen? – – Es ist schon wahr, entlaufen würden Sie mir mit dem Gelde alsdann nicht. Aber doch – – Als ob er nachdächte.[576]

LELIO. Du weißt es, Maskarill, ich liebe meine Schwester. Jetzt also muß ich das Äußerste für sie tun, wenn sie nicht Zeit Lebens mit Unwillen an ihren Bruder denken soll. – – Sei großmütig, und versage mir deinen Beistand nicht. –

MASKARILL. Sie fassen mich bei meiner Schwäche. Ich habe einen verteufelten Hang zur Großmut, und Ihre brüderliche Liebe, Herr Lelio, – – wirklich! bezaubert mich ganz. Sie ist etwas recht Edles, etwas recht Superbes! – – Aber Ihre Jungfer Schwester verdient sie auch; gewiß! Und ich sehe mich gedrungen –

LELIO. O! so laß dich umarmen, liebster Maskarill. Gebe doch Gott, daß du mich um recht vieles betrogen hast, damit du mir recht viel leihen kannst! Hätte ich doch nie geglaubt, daß du ein so zärtliches Herz hättest. – – Aber laß hören, wie viel kannst du mir leihen? – –

MASKARILL. Ich leihe Ihnen, mein Herr, –

LELIO. Sage nicht: mein Herr. Nenne mich deinen Freund. Ich wenigstens will dich Zeit Lebens für meinen einzigen, besten Freund halten.

MASKARILL. Behüte der Himmel! Sollte ich, einer so kleinen nichtswürdigen Gefälligkeit wegen, den Respekt bei Seite setzen, den ich Ihnen schuldig bin?

LELIO. Wie? Maskarill, du bist nicht allein großmütig, du bist auch bescheiden?

MASKARILL. Machen Sie meine Tugend nicht schamrot. – – Ich leihe Ihnen also auf zehn Jahr – –

LELIO. Auf zehn Jahr? Welche übermäßige Güte! Auf fünf Jahr ist genug, Maskarill; auf zwei Jahr, wenn du willst. Leihe mir nur, und setze den Termin zur Bezahlung so kurz, als es dir gefällt.

MASKARILL. Nun wohl, so leihe ich Ihnen auf funfzehn Jahr – –

LELIO. Ich muß dir nur deinen Willen lassen, edelmütiger Maskarill – –

MASKARILL. Auf funfzehn Jahr leihe ich Ihnen, ohne Interessen – –

LELIO. Ohne Interessen, das gehe ich nimmermehr ein. Ich will, was du mir leihest, nicht anders, als zu funfzig Prozent – –[577]

MASKARILL. Ohne alle Interessen – –

LELIO. Ich bin dankbar, Maskarill, und vierzig Prozent mußt du wenigstens nehmen.

MASKARILL. Ohne alle Interessen. – –

LELIO. Denkst du, daß ich niederträchtig genug bin, deine Güte zu mißbrauchen? Willst du mit dreißig Prozent zufrieden sein, so will ich es als einen Beweis der größten Uneigennützigkeit ansehen.

MASKARILL. Ohne Interessen, sage ich. –

LELIO. Aber ich bitte dich, Maskarill; bedenke doch nur, zwanzig Prozent nimmt der allerchristlichste Jude.

MASKARILL. Mit Einem Worte, ohne Interessen, oder – –

LELIO. Sei doch nur – –

MASKARILL. Oder es wird aus dem ganzen Darlehn nichts.

LELIO. Je nun! weil du denn deiner Freundschaft gegen mich durchaus keine Schranken willst gesetzt wissen – – –

MASKARILL. Ohne Interessen! – –

LELIO. Ohne Interessen! – – ich muß mich schämen! – – Ohne Interessen leihest du mir also auf funfzehn Jahr – – was? wie viel?

MASKARILL. Ohne Interessen leihe ich Ihnen noch auf funfzehn Jahr – – die 175 Taler, die ich für sieben Jahre Lohn bei Ihnen stehn habe.

LELIO. Wie meinst du? die 175 Taler, die ich dir schon schuldig bin? – –

MASKARILL. Machen mein ganzes Vermögen aus, und ich will sie Ihnen von Grund des Herzens gern noch funfzehn Jahr, ohne Interessen, ohne Interessen lassen.

LELIO. Und das ist dein Ernst, Schlingel?

MASKARILL. Schlingel? Das klingt ja nicht ein Bißchen erkenntlich.

LELIO. Ich sehe schon, woran ich mit dir bin, du ehrvergessener, nichtswürdiger, infamer Verführer, Betrieger. – –

MASKARILL. Ein weiser Mann ist gegen alles gleichgültig, gegen Lob und Tadel, gegen Schmeicheleien und Scheltworte. Sie haben es vorhin gesehen, und sehen es jetzt.

LELIO. Mit was für einem Gesichte werde ich mich meiner Schwester zeigen können? – –[578]

MASKARILL. Mit einem unverschämten, wäre mein Rat. Man hat nie etwas Unrechtes begangen, so lange man noch selbst das Herz hat, es zu rechtfertigen. – Es ist ein Unglück für dich, Schwester, ich gestehe es. Aber wer kann sich helfen? Ich will des Todes sein, wenn ich bei meinen Verschwendungen jemals daran gedacht habe, daß ich das Deinige auch zugleich mit verschwendete. – – So etwas ohngefähr müssen Sie ihr sagen, mein Herr, – –

LELIO nachdem er ein wenig nachgedacht. Ja, das wäre noch das einzige. Ich will es dem Staleno selbst vorschlagen. Komm, Schurke! – –

MASKARILL. Der Weg nach dem Kränzchen, in welches ich Sie begleiten sollte, mein Herr, geht dahin.

LELIO. Zum Teufel, mit deinem Kränzchen! – – Aber ist das nicht Herr Staleno selbst, den ich hier kommen sehe?


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 576-579.
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